Kritik zu Eden

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Ron Howard verfilmt die »Galapagos-Affäre«: Drei Gruppen von Aussteigern machen sich in den 30er Jahren im vermeintlichen Paradies gegenseitig das Leben schwer

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Es gab diese Leute wirklich. Ob sie sich auch so verhalten haben, wie es Ron Howard in »Eden« zeigt, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls waren da dieser Berliner Arzt, Friedrich Adolf Ritter, der sich als Philosoph und Aussteiger versuchte, und die Frau an seiner Seite, Dore Koerwien, die an Multipler Sklerose erkrankt war. Dann kam die Familie aus Köln, Heinz und Margret Wittmer mit ihrem lungenkranken Sohn Harry; Vater Heinz war ein begeisterter Fan von Ritter und wollte in dessen Nähe die Traumata des Ersten Weltkrieges und den aufblühenden Nationalsozialismus vergessen. Und schließlich fand sich noch die österreichische (hochstapelnde) Baroness Eloise Wehrborn de Wagner-Bousquet mit ihren beiden deutschen Liebhabern Rudolf und Robert ein. Deren Plan war die Errichtung eines Luxusresorts. In diesem Paradies, das sie einander schon bald zur Hölle machen sollten. Wobei die Insel Floreana im Süden des Galapagos-Archipels nicht wirklich paradiesisch im Sinne von Hängematte unter Palmen am Sandstrand genannt werden kann; denn schroff und rau sind dort die Lebensbedingungen, das Wasser spärlich und die Nahrungsquellen karg.

»Gemeinsam sind wir stark« lautet jedoch bekanntermaßen eine gesellschaftlichen Zusammenhalt stiftende Parole, und man sollte meinen, dass die auf Floreana versammelten Menschen sich ins Einvernehmen setzen und, an einem Strang ziehend, den alternativen Lebensentwurf, von dem sie alle träumen, zur Blüte bringen werden. Weit gefehlt. Kain und Abel sind arme Waisenknaben gegen das immer nur auf das Eigene bedachte Natterngezücht, das sich nunmehr gegeneinander in Stellung bringt. Es gibt unterschiedliche, selbstverständlich einander widersprechende Aufzeichnungen dessen, was sich dort in der Folge zugetragen hat – Akten, Briefe, Artikel, Memoiren. Natürlich haben Regisseur Howard und Drehbuchautor Noah Pink all dies rezipiert, um es aus dramaturgischen Gründen der Bearbeitung zu unterziehen. Anschließend oblag es den Schauspieler*innen, die sogenannte »Galapagos-Affäre«, die Mitte der 1930er Jahre ein weltweites Medienecho fand, mit Herzblut zu füllen. Und wahrlich, keine*r der Beteiligten lässt sich lumpen.

Doch während es Jude Law und Vanessa Kirby als Pionierpaar sowie Daniel Brühl und Sydney Sweeney als Ehepaar Wittmer mit dem klassischen Charakterporträt halten und durchaus mit Finesse agieren, schießt Ana de Armas den Vogel ab und legt ihre Baroness als melodramatische Charge an, deren Niedertracht keine Grenzen kennt.

Man sieht das Hin und Her zwischen zivilisationskritischem Drama und klischeebeladenem Groschenroman mit zunehmendem Erstaunen und fragt sich schließlich besorgt, welche Überlebenschancen die postapokalyptische Menschheit eigentlich hat, wenn sich schon diese paar Hanseln nicht zusammenraufen können? Insofern handelt es sich bei diesem Blick in die mittelferne Vergangenheit um einen brandaktuellen Beitrag zur stetig sich überhitzenden Gegenwart.

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