Kritik zu The East

© 20th Century Fox

Die fetten Jahre sind vorbei: Regisseur Zal Batmanglij schickt eine junge Agentin auf eine spannende Mission ins Zentrum einer Öko-Terrorgruppe – und beweist dabei Mut zu moralischer Ambivalenz

Bewertung: 4
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4 (Stimmen: 1)

Eine schöne junge Frau auf dem Weg zum Businesstermin. Anwältin könnte sie sein mit ihrem klassischen Outfit, oder irgendet was im mittleren Managementbereich eines großen Konzerns. Zum schicken Kostüm trägt sie einen Panzer aus Seriosität und Ambition: Sie kann kaum verhehlen, dass etwas auf dem Spiel steht für sie, gleichzeitig wirkt sie verschlossen und kühl, fast ein wenig mysteriös. Wenn Sarah (Brit Marling) dann im Büro ihrer Chefin (Patricia Clarkson) sitzt, verrät das stil volle Ambiente immer noch nichts über die Branche, in der die beiden Frauen tätig sind. Aber es wird schnell klar, das Sarah vor Selbstbewusstsein strotzt und mit allen Mitteln versucht, ihre Vorgesetzte davon zu überzeugen, dass sie die einzig Richtige sei für eine besondere Mission. Ein Psychospielchen entwickelt sich, ein Schlagabtausch über Erwartung und Strategie. Dabei unterliegt Sarah ihrer Chefin. Aber den Job bekommt sie trotzdem.

The East, der zweite Spielfilm des iranischstämmigen amerikanischen Regisseurs Zal Batmanglij, versteht es von Anfang angeschickt, die Informationen so zu dosieren, dass der Zuschauer regelrecht in die Story hineingezogen wird. Was wir auch zu wissen glauben, es bleibt doch stets ein gewisses Maß an Unsicherheit, eine Ahnung, dass die Figuren nicht alles preisgeben über ihre Haltung und ihre Motive. Zugleich fühlt sich alles ein wenig fremd und anders an: Auch wenn sich herausstellt, dass Sarah Ermittlerin ist, bringt sie doch andere Voraussetzungen mit als die Cops und Agenten ähnlich gelagerter Genrefilme: Sie arbeitet für eine private Sicherheitsfirma, ist also letztlich Söldnerin für ein kommerzielles Unternehmen. Und ihr Job ist näher als üblich an der politische Aktualität.

Sarah soll sich in den titelgebenden Geheimbund »The East« einschleusen, eine Terrororganisation, die mit Anschlägen gegen Pharmakonzerne auf sich aufmerksam macht. Das Credo der Gruppe: Den Verursachern von Gesundheitsschäden und Umweltzerstörung genau jene Schäden zuzufügen, die diese ihren Kunden antun. Dafür rückt sie Vorständen und Firmenbossen auf den Leib, zieht die Verantwortlichen ganz persönlich zur Verantwortung. Und agiert dabei so klug im Untergrund, dass nicht einmal klar ist, ob es die Gruppe überhaupt gibt.

Der Film zeigt mit seinen ersten Bildern die Medienberichte über die Anschläge der Bande, und gleich wird klar, wie relevant ihre Themen und wie nachvollziehbar ihre Anliegen sind. Irgendwo zwischen Robin Hood, Greenpeace und anarchistischem Widerstand verortet, teilt sie dem Establishment mit, dass die fetten Jahre endgültig vorbei sind.

Batmanglij und seine Hauptdarstellerin Brit Marling sind offensichtlich fasziniert von solchen Gruppen am Rande der Gesellschaft. Wie bei ihrem konzentrierten Sound of My Voice erkunden die beiden als Autorenduo die Strukturen und Rätsel einer esoterisch angehauchten Gemeinschaft. Während Marling dort das »Medium« an der Spitze der Gruppe spielte, wechselt sie in The East sozusagen die Seiten und kommt als Neuling hinzu. Seine stärksten Passagen hat der Film ab dem Moment, wenn es Sarah schließlich gelungen ist, in das Versteck der Truppe irgendwo im Ostküstenhinterland zu gelangen. Die Inszenierung gewährt uns dabei ganz konsequent nur ihren Wissensstand, Schritt für Schritt arbeiten wir uns ins Zentrum einer Welt vor, die nach ganz eigenen Regeln zu funktionieren scheint – und dabei stets gefährlich und unkalkulierbar bleibt.

Gekonnt verleiht der Film dem Anführer Benji (Alexander Skarsgård) und seinen Mitstreitern wie der rabiaten Izzy (Ellen Page) und dem exzentrischen Doc (Toby Kebbell) eine ambivalente Aura. Sie erscheinen mal als spirituell angehauchte Sekte, die sanftmütige Rituale pflegt, mal als durchgeknallte Punks, denen jede Gewalttat zuzutrauen ist, mal als raffiniert agierende Geheimdienstler, die mit allen Tricks und Kniffen die Party eines Pharmakonzerns zu unterwandern wissen. Es ist ungemein spannend, mit Sarah in diese Welt einzutauchen und dabei genauso im Ungewissen über den Fortgang der Ereignisse und die Absichten der Gruppenmitglieder zu sein wie die Protagonistin. Die Grenzen zwischen Gut und Böse sind dabei nur schwer auszumachen – der Film zeigt Mut zu komplexen Fragen nach Moral und Verpflichtung in unübersichtlichen Zeiten, und legt dabei eine erstaunliche Reife an den Tag. Was ihm zum ganz großen Wurf fehlt, ist ein Thrillerplot,der seine Story ähnlich ausgereift zu Ende brächte.

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