Kritik zu Dom Hemingway
Auch ein Jude Law in Höchstform vermag Richard Shepards unausgegorene Räuberpistole nicht zu retten
Wenn Dom Hemingway (Jude Law) die erste seiner vielen Grundsatzreden hält, tut er das mit brachialer Wucht. Den Blick fest ins Kameraobjektiv gerichtet, preist er wortreich und selbstverliebt die eigene Außergewöhnlichkeit an, auch und vor allem in sexueller Hinsicht. Wie eine virile Urgewalt erscheint er da; ein Prolet und Angeber zwar, aber einer, dessen unverschämtes Selbstbewusstsein durchaus zu faszinieren weiß. Sein Name klingt genauso großspurig wie er selbst: Dom Hemingway. Und Jude Law, mit Backenbart, Robert-Shaw-Kinn und manischer Aura, spielt ihn als Mischung aus Macho, Maulheld – und Memme. Wäre der Film besser, es wäre die Rolle seines Lebens.
Zwölf Jahre hat Dom im Knast verbracht, hat die Schuld für irgendein krummes Ding auf sich genommen und seinen Auftraggeber verschwiegen. Wenn er nun rauskommt, in ein London, das zwischen tarantinoesker Bizarrerie und dem rüpelhaften Underground-Charme eines Guy Ritchie oszilliert, verlangt Dom Genugtuung und Wiedergutmachung. Erst verprügelt er den Mann, mit dem seine Ex zusammen war, dann stürzt er sich mit zwei Nutten in einen dreitägigen Vergnügungsmarathon, um schließlich mit seinem alten Freund Dickie (Richard E. Grant) in den Schnellzug nach Frankreich zu steigen. Dort, auf einem luxuriösen ländlichen Anwesen, will er bei seinem alten Boss Fontaine (Demian Bichir) für die verlorenen Jahre abkassieren – plus Zinsen.
Während der Fahrt kippt einigermaßen überraschend die Stimmung. Dom, verkatert und zerknirscht, ist statt wild plötzlich weinerlich. Sein brutal-maßloses Verhalten erscheint ihm auf einmal indiskutabel, ja unmöglich, und er gelobt Besserung. Doch kaum steht er vor dem steinreichen Fontaine, einem undurchsichtigen russischen Paten, bricht er erneut aus wie ein Vulkan, vergreift sich im Ton, artikuliert Drohungen und tanzt herum wie Rumpelstilzchen. Die erneute Kehrtwendung mit Einsicht, Reue und zerknirschter Entschuldigung, kann da schon kaum noch überraschen. Spätestens hier hat Autor und Regisseur Richard Shepard das pathologische Muster seines Protagonisten etabliert, ein Hin und Her zwischen maskulinem Überschwang und selbstkritischer Verzweiflung, zwischen Tourettesyndrom und manischer Depression.
Ein schillernder Charakter ist dieser Dom Hemingway durchaus, leider aber fügt der Film diesem Psychogramm nach der Exposition nicht mehr viel Neues hinzu. Die Story hat keine klare Richtung und benötigt einen Zufall – einen nächtlichen Autounfall nach durchzechter Nacht –, um überhaupt voranzukommen. Plötzlich ist Dom die dicken Geldbündel wieder los, deren Erhalt er eben noch gefeiert hat, doch er versucht nicht, sie zurückzubekommen, sondern taumelt fortan wie ein angeknockter Boxer durch eine Welt, in der es für ihn weder Arbeit noch Erlösung gibt. Dom Hemingway kann sich nie entscheiden zwischen Gangster-Coolness und Resozialisierungsdramatik und wirkt dabei seltsam angestrengt, zu sehr um Originalität bemüht.
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