Kritik zu Die wundersame Welt der Waschkraft
Ein Film darüber, was passiert, wenn die Arbeit auswandert und dort landet, wo die N ot der Menschen groß genug ist, um für wenig Geld unter schlimmen Bedingungen dasselbe zu leisten
So einfach ist es eben nicht mit der Globalisierung. Die Grenze bleibt, allen Bemühungen der Vernetzung zum Trotz, sie bleibt als Grenze des Wohlstands. Und diejenigen, die von dieser Grenze profitieren, setzen alles daran, sie zu erhalten. Hans-Christian Schmid hat in seinem neuen Dokumentarfilm, dem ersten seit 1992, das Schicksal einiger polnischer Waschfrauen verfolgt, die täglich für weniger als den Mindestlohn antreten, um die Wäsche der Berliner Nobelhotels zu waschen. In der Kleinstadt Gryfino arbeiten rund 400 Frauen in der Wäscherei des deutschen Unternehmers Fliegel. Heißer Dampf wird vom Kraftwerk nebenan bezogen. Lkw-Fahrer bringen die Wäschecontainer innerhalb von 24 Stunden zurück nach Berlin. Vier der 400 Frauen begleitet Schmid in ihre private Welt, hört ihnen zu und lässt ihre stille Anklage unkommentiert stehen.
Schon immer hat sich Hans-Christian Schmid für soziale, gesellschaftliche oder religiöse Grenzen interessiert. Für die politisch durchlässige Grenze in »Lichter« und jüngst in dem Thriller »Der Sturm«, für die zwischen Jugend und Erwachsenwerden in »Nach fünf im Urwald« und in »Crazy« und für die zwischen Glauben und wahnhafter Religiosität in »Requiem«. Und immer ist es auch die Grenze zwischen Schein und Sein, zwischen Illusion und ernüchternder Realität.
An dieser Grenze stehen die vier Frauen in »Die wundersame Welt der Waschkraft«, die letztlich gar nicht so wundersam ist. Bestimmt nicht für die Alleinerziehende, die mit Freund und dessen Ex-Frau in einer Wohnung leben muss, auch nicht für ihre Mutter, die den Schritt über die Grenze hinweg wagt und zum Arbeiten nach Großbritannien geht, nur um desillusioniert zurückzukehren, und auch nicht für die Wäscherin, die einst Ärztin werden wollte. Schmid zeigt, dass das Leben ein Kampf ist, dass es einen Anspruch auf Glück nicht gibt und auch Protest die Ungerechtigkeit nicht verhindert. Er zeigt es intensiv, indem er die Folgen darlegt, die eine undurchschaubare Struktur für die jeweils Betroffenen hat. Seine Bilder sind denen des Spielfilms nicht fern, wirken oft poetisch in ihrem mal distanzierten, mal detailfreudigen Blick und lassen sich Zeit. Da der Arbeitsdruck ungeheuer hoch ist, konnte er nur wenige Interviews am Arbeitsplatz machen, das meiste muss sich wortlos erklären. Und da liegt auch das Problem dieses Films: Er bildet die Welt der Großwäschereien ab, absichtlich stumm und menschenfern, und dadurch bleibt sie tatsächlich wundersam. Er gibt sich keine Mühe, die politischen Hintergründe aufzuzeigen, die kapitalistischen Interessen zu entlarven. Sein Film ist mehr persönliche Studie als gesellschaftspolitische Anklage. Man kann sich in den Bilder verlieren und vergisst darüber die notwendige Aufklärung. Das Persönliche trennt sich in diesem Film vom Politischen, denn hier gibt es wohl Opfer, aber keine Täter. So klar er das Schicksal der Waschfrauen zeichnet, so diffus bleibt er auf der Seite der Industrie. Auch da verläuft eine Grenze, die Schmid nicht überschreiten wollte.
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