Kritik zu Die Witwe Clicquot

© Capelight Pictures

Emanzipation und Champagner: ein Charakterporträt der historischen ­»Veuve Clicquot«, der Namensgeberin des berühmten Champagners, die als resolute ­Geschäftsfrau das Weingut ihres verstorbenen Mannes zu Weltruhm führt

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Man muss kein Champagnertrinker sein, um mit dem Namen »Veuve Clicquot« etwas anfangen zu können. Das ikonische goldgelbe Etikett der Marke sticht im Weinregal jedes besseren Supermarkts unverkennbar hervor – und gilt nicht nur Connaisseuren als Inbegriff eines Luxusprodukts, das zur Massenware geworden ist. Wenn man »Die Witwe Clicquot« gesehen hat, bedauert man solchen Snobismus, denn der Film macht deutlich, wie aufreibend der Weg zu Erfolg und Anerkennung war.

Die Erzählung setzt im Jahr 1805 ein, unmittelbar nach dem Tod von Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardins Ehemann François. In lyrischen Bildern und einer assoziativen Montage verwebt der Film in diesen ersten Szenen die bedrückende Gegenwart der Beisetzung mit Barbe-Nicoles romantischen Erinnerungen an ihren Mann, auf der Tonspur untermalt von ihren flüsternden Gedanken. 

Das erinnert an die Filme von Terrence Malick, und der britische Regisseur Thomas Napper, seine Kamerafrau Caroline Champetier (»Annette«) und der Cutter Richard Marizy (»La vie en rose«) setzen damit den ästhetischen Ton des Films, der weniger ein klassisches Biopic ist als eine atmosphärische Verknüpfung verschiedener Situationen und emotionaler Zustände. Einige prägende Jahre im Leben der Witwe Clicquot werden so auf schlanke 85 Minuten verdichtet – ein bisschen zu schlank vielleicht, denn ähnlich wie kürzlich »Die Fotografin« endet »Die Witwe Clicquot« genau dann, als es in ihrer Biografie richtig spannend wird.

Doch der Film will nicht vom Aufbau eines Imperiums erzählen, sondern die Geschichte einer weiblichen Selbstbehauptung in einem männlich dominierten Geschäftszweig. Es geht nicht um die Triumphe, sondern um die Herausforderungen. Entgegen den Plänen ihres Schwiegervaters besteht die erst 27-jährige Witwe und alleinerziehende Mutter darauf, das Weingut ihres Mannes weiterzuführen. Während die meisten Männer ihres Umfelds auf Hierarchien und autoritäre Führung pochen, steht Clicquot-Ponsardin an der Seite ihrer Arbeiter persönlich in den Weinbergen.

Der Weinbau ist ihr eine Berufung, und wie bereits ihr Mann (Tom Sturridge als manisch-depressiver Feingeist) verfolgt sie einen qualitativen Ansatz, der die Cham­pagnerwelt revolutionieren wird. Auch hier hätte man gern mehr erfahren, könnte der Film tiefer eintauchen in die wegweisende Bedeutung von Clicquot-Ponsardins Innovationskraft (vom Pflanzen der Reben bis zum Rütteln der Flaschen und der Etablierung von Jahrgangs-champagner). Doch geht es dem Film nicht um technische Details, sondern um ein vielschichtiges Stimmungsbild und das Charakterporträt einer emanzipierten Frau. Dass sie hier von einer Amerikanerin verkörpert wird, geschenkt: Die großartige Haley Bennett spielt Clicquot-Ponsardin mit stiller Resolutheit als ebenso kluge wie kühne Persönlichkeit – »eine Visionärin«, würde man heute sagen. »La Grande Dame« heißen ihr zu Ehren die Jahrgangscham­pagner des Hauses Clicquot. Im Supermarkt bekommt man sie nicht.

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