Kritik zu Die Schattenjäger

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Atmosphärisches dichtes Drama um einen Syrer, der in Europa die Folterer aus seiner Heimat verfolgt

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Amir ist Syrer. Manchmal heißt er auch Nasir, Bassem Kasir, Rahim oder Saleh. Aus Aleppo ist er nach Europa geflüchtet, Assads Foltergefängnis Saydnaya entkommen, seine Frau und seine kleine Tochter hat er verloren, seine Mutter im Flüchtlingslager in Beirut zurückgelassen. Sie glaubt, er baue sich als Literaturprofessor ein neues Leben in Deutschland auf. Doch Amir (Adam Bessa) hat sich dem Untergrund angeschlossen, um die desertierten Gefolgsleute Assads aufzuspüren und auszuliefern. In Straßburg arbeitet er auf Baustellen und ist seinem Peiniger Harfaz (Tawfeek Barhom aus »Die Kairo Verschwörung«) auf der Spur. 

Jonathan Millet schafft in seinem, nach zahlreichen Dokumentationen, ersten Spielfilm eine Atmosphäre der tiefen Trauer, erzählt das Allgemeine im Persönlichen, deutet den großen historischen und auch persönlichen Überbau nur an. Ihm gelingt ein emotionaler Blickwinkel, weil er stets ganz dicht an seinem Protagonisten dran ist. Adam Bessa spielt ihn mit berührender Intensität und stetiger innerer Anspannung.

Amir ist isoliert, in Straßburg bei seiner Arbeit auf der Baustelle und auch als »Agent« des Untergrundes, selbst in der syrischen Community. »Wir wissen nie, wer auf welcher Seite steht«, sagt einmal Yara (Hala Rajab), die in Syrien Ärztin war und nun in einer Reinigung arbeitet. Mit ihr freundet sich Amir an. Auch wenn für ihn Freundschaften kaum möglich sind. Zu schwer lasten die Trauer und die erlittene Folter auf ihm. Später, als Yara eine Stichwunde bei ihm versorgt, wird sie zu ihm sagen: »Das wäre der Moment, in dem du mir in einer anderen Welt deinen richtigen Namen verraten würdest.« Er tut es nicht.

Amir ist auf der Suche nach seinem Peiniger, den er in dem Chemiestudenten Harfaz glaubt aufgespürt zu haben. Nie hat er ihn gesehen, nur gespürt, gerochen, seine Stimme gehört. Die anderen Mitglieder der Zelle liefern ihm immer wieder Beweise, dass er es nicht sein kann. Doch Amir hält daran fest. Eines Tages bittet Harfaz Amir in einem arabischen Restaurant an seinen Tisch. Das Gespräch ist zäh und voller Andeutungen. Harfaz will sein altes Leben zurücklassen, ein neues beginnen, wie er Amir sagt. 

Während die beiden essen, das Gespräch so bedrückend verläuft, sind das Geklapper des Geschirrs und die Gespräche der anderen Gäste stets im Hintergrund zu hören, leise und doch wahrnehmbar. So wie auch in der Unibibliothek das Flüstern, das Gescharre der Stühle, das Umblättern von Seiten zu vernehmen ist. Es erzeugt eine Alltäglichkeit, in die Amir abtaucht und zu der er doch nicht dazugehört, die er aber allzu deutlich wahrnimmt. Die quälende Zeit im Foltergefängnis hat seine Sinne geschärft. Zu dieser beklemmenden Atmosphäre trägt auch die bedrohlich treibende Musik aus elektronischen Tönen bei. 

Irgendwann ist Amir nahe daran, Selbstjustiz zu üben, wie seine deutsche Kontaktperson Nina (Julia Franz Richter) auch. Er entscheidet sich anders – und begibt sich in eine Zukunft ohne seinen Namen und ohne eine eigene Geschichte.

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