Kritik zu Die Möbius Affäre
Das Geschäft der Spionage ist Jean Dujardin aus seiner ulkigen »OSS-117«- Serie bestens vertraut. In Eric Rochants Thriller muss er an der Seite von Tim Roth und Cécile de France dessen ernste, tragische Kehrseite erkunden
Das französische Kino traut sich in der Regel ja eine ganze Menge zu: Die Autorenfilmer zeigen der Welt, wie man von Liebe, Erotik und dem Altern erzählt, Luc Besson führt vor, wie man hochtourige Actionfilme mit globaler Ausstrahlung dreht; Komödien aus Frankreich sind ein Exportschlager, und unlängst ist gar die Wiederbelebung des Stummfilms geglückt. Der Spionagefilm hingegen ist eine Disziplin, die die große Filmnation weitgehend den Amerikanern und Briten überlässt. Kaum mehr als eine Handvoll Filme hat Frankreich seit den 60er Jahren in diesem Genre hervorgebracht.
Eric Rochant geniert dieses Versäumnis immens. Nach »Les Patriotes« (Staatsauftrag: Mord, 1993) versucht er sich nun bereits zum zweiten Mal auf diesem diffizilen Erzählterrain. Er erschließt es sich auf klassische Weise, voll altmodischem Vertrauen in die Schauwerte seiner Drehorte (Monaco, Moskau) und die Tragfähigkeit moralischer Konflikte. Obwohl sein Thriller in der Welt der Hochfinanz spielt, mutet er kammerspielhaft an. Er bietet nur eine waschechte Actionszene auf, seine Fallhöhe ist vor allem eine romantische.
Jeder der Akteure in »Die Möbius-Affäre« verfolgt eine zweifache Agenda. Die risikofreudige Traderin Alice (Cécile de France) ist der Brennpunkt des Films. Ihr Geschick lässt sie zum Objekt mannigfacher Begierden werden. Man braucht schon einiges Insiderwissen, um zu verstehen, was für Transaktionen sie tätigt. Ihre Spezialität ist das Schnüren von Investmentpaketen, über die sich Schwarzgeld waschen lässt. Ihr Talent weckt nicht nur das Interesse des Oligarchen Ivan Rostovski (Tim Roth), sondern lässt auch zwei Geheimdienste aufhorchen. Ein russischer Agent mit dem Decknamen »Moïse« (Jean Dujardin) beginnt eine heimliche Affäre mit ihr, während sie von seinem Team überwacht wird. Alice und Moïse täuschen einander über ihre wahre Identität, über ihre Gefühle jedoch nicht: Ihre Liebesszenen handeln von Begegnung und Erkennen, sie folgen keiner Strategie.
Beide befinden sich in einem existenziellen Wartestand. Das Exil ist ein heimliches Leitmotiv des Films. Sie ist seit der Lehman-Brothers-Pleite verbrannt und kann nicht in die USA zurückkehren. Seine Karriere ist ganz vom Wohlwollen seines Vorgesetzten und Mentors abhängig, der ehrgeizige und gefährliche Pläne hegt. Aber Moïse zögert, sehnt sich nach Erlösung aus seiner Existenz. Dujardin lässt ganz uneitel kenntlich werden, dass es seiner Figur trotz kaltblütiger Gewaltbereitschaft und dunkler Vergangenheit an der nötigen Härte für dieses Geschäft gebricht. In einem leichtfertigeren Film wäre eine Casino-Szene unvermeidlich gewesen – ihr Ruf als Hasardeurin und der Schauplatz Monaco müssten das eigentlich nahelegen –, aber Rochant hat eine vielschichtigere Metaphorik im Sinn. Welche Bewandtnis es mit dem Titel stiftenden Möbiusband auf sich hat, soll an dieser Stelle besser nicht verraten werden. Das zentrale Motiv dieses romantischen Thrillers ist überdies die Umarmung: als ein Schutz gegen die tragischen Konsequenzen, die das doppelte Spiel für die Liebenden haben werden – und als eine Geste, die von der Hoffnung auf Heimat kündet.
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