Kritik zu Die irre Heldentour des Billy Lynn

© Sony Pictures

Ang Lees subtil-satirische Aufarbeitung des Irakkriegs funktioniert auch als herkömmlicher 2D-Film. Trotzdem scheint es, als würde uns hier eine Menge entgehen

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Wer die ersten Bilder sehe, schrieb ein US-amerikanischer Kritiker, der müsse eine ähnliche Überwältigung spüren wie jene Zuschauer, die vor 100 Jahren zum ersten Mal im Kino saßen. Der Film sei »revolutionär«, er öffne die Tür »für eine neue Art, Filme zu drehen, für eine neue Art sie zu sehen, zu fühlen, zu erfahren«. Große Worte sind das, und man möchte sie gerne glauben, wenn man sich an den 3D-Triumph von Ang Lees »Life of Pi« aus dem Jahr 2012 erinnert. Damals schien es, als hätten der Regisseur und sein Kameramann Claudio Miranda das dreidimensionale Erzählen neu erfunden, so plastisch und unmittelbar wirkten ihre Bilder. Selbst für 3D-Skeptiker schien es plötzlich denkbar, dass dieses Format das Kino jenseits aufdringlicher Oberflächenreize voranbringen könnte.

Nur knapp ein halbes Jahrzehnt später hat sich der 3D-Hype merklich abgekühlt, aber das hindert Lee nicht daran, die Technik weiter zu revolutionieren. Dabei fährt er allerdings eine ziemlich paradoxe Doppelstrategie, die dem Medium weiterhelfen mag, unsereinen aber dazu zwingt, den Konjunktiv zu benutzen. Denn Lee und sein neuer Kameramann John Toll, der zuletzt eng mit den Wachowski-Geschwistern zusammenarbeitete, haben sich für eine Art Experiment im Vakuum entschieden. Sie drehten »Die irre Heldentour des Billy Lynn« in einem Aufnahmeverfahren mit 120 statt der üblichen 24 Bilder pro Sekunde und einer 4K-Auflösung, was die 3D-Einstellungen – wenn man Augenzeugen glauben darf – wesentlich heller, detaillierter und räumlicher macht. Der große Nachteil: Es gibt bislang außerhalb der USA keine Kinos (und auch dort nur sehr wenige), die den Film in dieser Form vorführen können.

Es spricht für den US-Taiwanesen, dass Billy Lynn, eine getreue Verfilmung des gleichnamigen Romans von Ben Fountain, auch in 2D und normaler Vorführgeschwindigkeit den sanften Zauber eines Ang-Lee-Films entfaltet. Gewohnt behutsam und differenziert schildert er die (fiktive) Geschichte einer US-Einheit, die 2004 aus dem Irakkrieg nach Hause kommt, um eine patriotische Jubeltournee zu absolvieren. Der Titelheld, großartig gespielt von Newcomer Joe Alwyn, wird als Held gefeiert, weil er mitten im Gefecht einem sterbenden Kameraden zu Hilfe eilte, während ihn ein TV-Team dabei filmte. Die Ereignisse konzentrieren sich an einem einzigen Tag, an dem die Soldaten im Halbzeitprogramm eines Footballspiels der Dallas Cowboys auftreten sollen. Billy durchlebt das Geschehen wie in Trance: Die Heimat erscheint ihm surreal, den Rummel um seine Person empfindet er als unangemessen. Die Vergangenheit schiebt sich in Form von Rückblenden in sein und unser Bewusstsein: Zwei alternierende Stränge erzählen von jenem Einsatz im Irak, der zum Tod von Offizier Shroom (Vin Diesel) führte, und von Billys Rückkehr zur Familie.

In seinem Realismus und seiner bewusst unspektakulären Erzählweise wirkt der Film fast wie ein Gegenentwurf zu Clint Eastwoods »American Sniper«, der ebenfalls zwischen Front und Heimat oszillierte, dabei aber voll auf dramatische Zuspitzung setzte. Lee entschleunigt die Erfahrung, gleichwohl ohne sie zu verharmlosen. Ruhig und unaufgeregt (manchmal vielleicht ein wenig zu tempoarm) breitet er ein Kriegspanorama aus, das von der Grausamkeit und Absurdität des Kampfeinsatzes ebenso handelt wie von der Entfremdung zwischen Soldaten und Daheimgebliebenen, von den grotesken Mechanismen der Unterhaltungsmaschinerie ebenso wie von der Verlorenheit traumatisierter Soldaten.

Nichts radikal Neues also, aber doch ein mehr als schlüssiger Trip ins Bewusstsein des Protagonisten. In inszenatorischer Hinsicht setzt Lee dabei auf radikale Intimität, er ist immer ganz nah an seinem widerwilligen Helden dran. Die vielen subjektiven Einstellungen und ungewöhnlichen Bildkompositionen deuten darauf hin, dass der Film eine ästhetische Ebene besitzt, die wir nur erahnen können. Bleibt zu hoffen, dass wir sie eines Tages auch zu sehen bekommen.

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