Kritik zu Die Geschichte meiner Frau
Die Chronik des Scheiterns einer Ehe vor einem Panorama europäischen Lebens zwischen den Kriegen: Ildikó Enyedi (»Körper und Seele«) adaptiert den gleichnamigen Roman von Milán Füst
»Ich könnte die erste Frau heiraten, die zur Tür hereinkommt«, verkündet der melancholische Seemann in einem Café sitzend. Glück gehabt, dass es nicht eine liebenswerte Großmutter oder eine männerfressende Matrone ist, die aus dem Licht ins Café tritt, sondern die von Léa Seydoux gespielte Französin Lizzy. Und Glück auch, dass die Schöne wie selbstverständlich auf den sehr unvermittelt von einem Wildfremden vorgebrachten Heiratsantrag eingeht.
Solche unwahrscheinlichen Liebesgeschichten haben es der ungarischen Filmemacherin Ildikó Enyedi angetan, schon in ihrem Berlinalegewinner »Körper und Seele« erblühte eine zauberhafte Liebesgeschichte zwischen dem kriegsversehrten Leiter eines Schlachthofes und einer scheuen, autistischen Qualitätsprüferin. Jetzt hat Enyedi ihre durch den Erfolg von »Körper und Seele« gewonnene künstlerische Freiheit genutzt, um den recht sperrigen und anekdotisch ausufernden Roman »Die Geschichte meiner Frau« von Milán Füst zu ihrer ersten Literaturadaption zu machen.
In seinem 1942 veröffentlichten Roman breitet der ungarische Autor die Geschichte des Scheiterns einer Ehe vor einem Panorama europäischen Lebens zwischen den Kriegen aus. Die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts scheinen gerade Konjunktur zu haben, doch für die Analogien zwischen unruhigen Zeiten damals und heute interessiert sich die Regisseurin nicht. Stattdessen rekonstruiert sie die Epoche mit großer Lust an ihren äußeren Reizen, an opulenten Kostümen und Schauplätzen. Vor allem aber untersucht sie die Dynamik der Geschlechter.
Auf See hat der holländische Frachtschiffkapitän Jakob Störr (Gijs Naber) die Kontrolle, hier weiß er die Zeichen von Wind und Wasser zu deuten. In der französischen Gesellschaft dagegen, in der seine junge Frau aufblüht und schillert, fühlt er sich verloren. Erschwerend hinzu kommt, dass Lizzy dem Frauenbild der Zeit widerspricht. Statt Monate zu Hause tatenlos auf den seefahrenden Mann zu warten, wirft sie sich flirrend selbstbewusst und freiheitsliebend ins gesellschaftliche Leben.
Léa Seydoux, die ihre magnetische Präsenz und geheimnisvolle Aura parallel in diesen Kinowochen auch noch als Gegenüber von James Bond und im Universum von Wes Andersen auslebt, agiert hier mit einer verführerischen Mischung aus argloser Unschuld, mitreißendem Lebenshunger und manipulativer Launenhaftigkeit. Jakob ist zugleich fasziniert und verstört, geplagt von Eifersucht, besonders misstrauisch ist er gegenüber ihrem von Louis Garrel dandyhaft gespielten Freund Dedin. Um sie aus seinem Dunstkreis zu lösen, entführt er sie nach Hamburg, in ein dunkles, enges Appartement. Vielleicht hätte sich das Ungleichgewicht ausgeglichen, wenn sie sich auf seine Weltsicht eingelassen hätte, doch einer geplanten Reise auf seinem Kreuzfahrtschiff verweigert sie sich im letzten Moment. Auch wenn es hier nicht so aussieht, Enyedi glaubt an Chancen und Umbrüche: »Heute haben wir für den männlichen Teil der Menschheit die großartige historische Möglichkeit, sich daran zu beteiligen, ein besseres Leben zu führen und ein erfüllenderes Lebensmodell umzusetzen«, sagt sie.
In sieben Kapiteln folgt Enyedi den Stationen einer Ehe, vom Labyrinth des gesellschaftlichen Lebens über den Verlust der Kontrolle und die Macht der Sinnlichkeit zur Jagd nach der Wahrheit und dem finalen Loslassen. So erlesen die Schauplätze, Ballsäle, Cafés und Salons, so illuster ist auch die Besetzung bis in die kleinsten Nebenrollen, unter anderem mit Ulrich Matthes, Udo Samel, Josef Hader und Luna Wedler. Anders als in »Körper und Seele« fehlt hier der versponnen romantische Zauber. Die ruhige Genauigkeit des Blicks bleibt an den Oberflächen, schafft es nicht, die Seelen zu durchdringen, zu berühren. Was bleibt, ist eine Chronik des Scheiterns, die zumindest in den Verhältnissen der Zeit und zwischen den Geschlechtern kaum zu vermeiden ist.
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