Kritik zu Die Farbe Lila

© Warner Bros. Pictures

Die Verfilmung der Musicalfassung von Alice Walkers berühmtem Roman zollt Steven Spielberg Tribut und macht doch Entscheidendes anders    

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Nicht, dass Musicals immer leichtherzige Geschichten zur Vorlage hätten – West Side Story ist schließlich eine Shakespeare'sche Tragödie –, aber die Verwandlung von Alice Walkers preisgekröntem Roman aus dem Jahr 1982 in ein Bühnenstück, in dem gesungen und getanzt wird, löst aufs Erste nahezu unwohle Gefühle aus. Passt die Form zum Inhalt? Trauma ist heute der Begriff, den man für all das verwendet, was Heldin Celie durchmacht. Für ein »Coming of Age«, das mit mehrfacher Vergewaltigung durch den eigenen Vater beginnt, gefolgt von Jahren erlittenen Missbrauchs durch einen Ehemann inmitten all der anderen Misslichkeiten von Südstaaten-Rassensegregation und existenzieller Armut – für all das erscheint das Modewort »Trauma« doch fast zu akademisch entrückt. 

Im Roman ist es die Erzählstimme ­Celies, die mit bodenständiger Idiosynkrasie und schrägem Humor auch da den Leser in den Bann zieht, wo man vor der Realität des Erzählten lieber die Augen verschließen möchte. In Steven Spielbergs Kino­adaption von 1985 war es Whoopi Goldberg, der mit ihrer Verkörperung der Celie Ähnliches gelang. Die erste Musical-Fassung von »Die Farbe Lila« erfreute sich allen Unkenrufen zum Trotz von 2005 bis 2008 eines großen Erfolgs am Broadway. Und bereits nach wenigen Szenen von Blitz Bazawules Kinoadaption ist man selbst als skeptischer Zuschauer überzeugt: Das geht sogar sehr gut, wenn Blues, Jazz und Gospel da übernehmen, wo das reine psychologische Spiel angesichts der Häufung der Traumata eben kaum hinreicht.

In der Musicalfassung gelingt überraschenderweise auch die Überbrückung eines problematischen Punkts, den viele an Spielbergs Fassung kritisierten: dass nämlich die harsche Armut des ländlichen Georgia aus Walkers Roman in Farbe auf die Leinwand gebracht pittoresk wirken könnte. Das Element des Unwirklichen und Traumhaften, das dem Genre Musical eigen ist, söhnt hier die beiden Seiten miteinander aus: Das Empfinden Celies steht im Mittelpunkt, und es ist ihr Überlebenswille, ihre Vorstellungskraft, die die trostlose, düstere, von Gewalt geprägte Realität in expressives, sinnliches, opulentes Erleben verwandelt.

Der Plot des Musicals folgt weitgehend Spielbergs Fassung, wenn auch die Beziehung zwischen Celie und der Sängerin Shug (Taraji P. Henson) hier endlich mehr von der erotischen Aufladung bekommt, für deren Auslassung Spielberg ebenfalls stark kritisiert wurde. Fantasia Barrino als Celie besitzt eine raumgreifende Präsenz, die die Überlebenskünste ihrer so oft niedergeschlagenen Figur wunderbar mitreißend erfahrbar macht. Ihr gegenüber spielt Taraji P. Henson als Shug eine großartige, mühelos scheinende Coolness aus. Danielle Brooks als aufmüpfige Sofia, die die volle Staatsgewalt auf sich zieht, bricht einem regelrecht das Herz. Angesichts all dieser starken Frauen haben es die Männer schwer wie nie. Colman Domingo aber gelingt es in der eigentlich so undankbaren Rolle des »Mister«, seiner Figur eine Verletzlichkeit zu verleihen, die sein gewalttätiges Gebaren nicht entschuldigt, aber den komplizierten Menschen dahinter sichtbar sein lässt.

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