Kritik zu Die Augen des Weges
Opulente Bilderschau andiner Schönheit: Rodrigo Otero Herauds Dokumentarfilm folgt einem pilgernden Schamanen durch die bedrohten Reste indigener Quechua-kultur
Gebirge, Kartoffelfeuer und bunte Trachten gibt es, sogar eine Art Gamsbart-Hut – doch wir sind nicht im Reich von Horst und Marcus, sondern fast am anderen Ende der Welt. Dort, von wo die Kartoffel einst auf die Reise zu uns aufbrach und heute immer noch in heiligen Ehren gehalten wird. Es sind die spärlich besiedelten zentralen Anden Perus, wo der Bevölkerungsanteil indigener Amerikaner noch groß ist, ihre Kultur aber zu verschwinden droht. Das beschäftigt auch Hipólito Peralta Ccama, der in einer Kleinstadt als Lehrer arbeitet und sich für diesen Film als pilgernder Schamane auf eine Reise von den Bergen bis zum Meer begibt, die ihm – und damit dann auch uns – ein besseres Verständnis für den geistigen und materiellen Zustand der andinen Welt geben soll.
Es ist eine beseelte Welt, beschützt von den Apus genannten Berggeistern und der »Pachamama Erde«, die uns großzügig mit ihrem Reichtum beschenkt. Ein Herz haben auch Pflanzen, Gewässer, Steine und der Wind, an die Peralta sich immer wieder mit Ritualen und Dankgebeten wendet und Fruchtbarkeit und Harmonie erbittet. Dabei ist er Akteur und Darsteller zugleich, der in gemächlichem Tempo durch wechselnde Landschaften vom Gebirge bis zum Meer wandelt und sich zwischen den Dialogen mit einzelnen Apus in einem langen Gespräch der Vergewisserung an sich selbst und uns alle wendet.
Dabei geht es um den Erhalt der Gemeinschaftlichkeit unter den Menschen und zwischen ihnen und der Natur. Visuell werden die Folgen moderner Zivilisation im Film nur als kurze Bildschnipsel aufgerufen, assoziativ sind sie stark präsent. Meist schwelgt die Kamera in der weiten Berglandschaft vor fernen Schneegipfeln oder wandert durch saftige Matten mit grasenden Lamas und Bauern bei der Feldarbeit. Eine opulente Diashow andiner Schönheit, wobei sich Filmemacher Rodrigo Otero Heraud in seinem ersten langen Film die Freiheit nimmt, neben klassischen Überblendungen zwischen den Landschaften auch mit einzelnen Bildelementen spielerisch umzugehen. Auch die prächtigen Regenbogen über dem Tal sind vermutlich solch digital-übersinnlichem Eingreifen geschuldet.
Ist das nun Poesie oder Kitsch? Statt sich durchs hämische Etikettieren als »Eso-Getue« zu distanzieren, macht es mehr Sinn, hier (neben dem Genuss der angebotenen Schönheit) mit offenem Geist die seltene Chance zu einem relativ direkten Einblick in einen vom Verschwinden bedrohten Kosmos zu nutzen. Denn neben Landgrabbing bedroht akut – und von Peralta direkt benannt – auch eine zweite Welle der Missionierung durch evangelikale Sekten die Zerstörung des indigenen Wertesystems. So ist Herauds Film neben einem Appell auch ein wichtiges Dokument für diese gefährdete animistische Weltsicht, von der manches für rationalistisch geprägte Zuschauer begrifflich nur schwer verständlich sein dürfte. Auch weil jede Übersetzung über die grammatische Unkompatibilität des von Peralta verwandte Quechua mit dem Deutschen stolpern muss. Umso wichtiger sind die nicht-verbalen Dimensionen des Films.
Kommentare
Ein Film der berührt und
Ein Film der berührt und unter die Haut geht. Die deutschen Texte sind sehr gut und spiegeln die Magie der Landschaft und die Verbundenheit|Spiritualität des Hauptdarsteller.
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