Kritik zu Der kleine Tod
Das Regiedebüt des australischen Schauspielers und Autors Josh Lawson erzählt in seinem bestens besetzten Episodenfilm mehr über Sex, als manch einer wissen will
»Eine Komödie über Sex« – das klingt so harmlos. Doch so unterschiedlich die Episoden in Der kleine Tod auch sind, gemeinsam ist ihnen, dass sie alle eine Seite haben, die vor den Kopf stößt. Manche können es weglachen, andere sehen die Grenzen des guten Geschmacks verletzt, je nachdem. Man nehme etwa das gut aufeinander eingespielte Ehepaar Phil (Alan Dukes) und Maureen (Lisa McCune), sie eine scharfzüngige Karrierefrau, er ein nachgiebiger Langweiler. Eines Tages trinkt sie aus Versehen seine Schlaftabletten. Und er entdeckt, dass ihn das ungeheuer anmacht, der Anblick seiner in die Bewusstlosigkeit abgetauchten Frau …
Solange Phils »Perversion« sich aufs bloße Schauen beschränkt, mag sie noch als politisch korrekt durchgehen, aber was ist mit Rowena (Kate Box) und Richard (Patrick Brammall)? Die unter Unfähigkeit zum Orgasmus leidende Rowena kommt durch einen traurigen Zufall darauf, was ihr tatsächlich zum Höhepunkt verhilft: die Tränen ihres Mannes. Von da an setzt sie alles daran, ihn zum Weinen zu bringen. Die »Dacryphilia« gibt es offenbar wirklich, eine Form des emotionalen Missbrauchs, über die zu lachen man sich – noch – nicht richtig schämt. Anders beim dritten Beispiel, wo Maeve (Bojana Novakovic) ihrem Freund Paul (Josh Lawson) gesteht, dass es ihre geheime Sexfantasie sei, von einem Fremden vergewaltigt zu werden. Pauls Anstrengungen, diese Fantasie wahr werden zu lassen, missglücken nicht nur spektakulär, es bleibt einem dabei auch regelrecht das Lachen im Halse stecken.
Es wäre deshalb oberflächlich, dem Film tonale Unebenheit vorzuwerfen. Der ruckelnde Wechsel von »nettem« Sexhumor (ein Mann entdeckt beim erotischen Rollenspiel die Schauspielerrampensau in sich) zu den dunkleren Seiten des Themas ist beabsichtigt, das zeigt schon die Figur eines »schrecklich netten« Sexualstraftäters (Kim Gyngell), der als Bindeglied zwischen den Episoden seine vom australischen Recht geforderte Vorstellungsrunde durch die Nachbarschaft macht. Vom Inhalt seiner Botschaft weiß er auf geschickte Weise abzulenken, indem er selbstgebackene »Golliwogs« feilbietet, in etwa das Pendant zum hierzulande bekämpften »Negerkuss«.
Die beste der Episoden kommt zum Schluss. Da sieht man die schüchterne Monica (Erin James) bei der Spätschicht ihres seltsamen Berufs: Sie arbeitet bei einem Skype-Dienst, der taubstummen Anrufern anbietet, Zeichensprache in gesprochene Sprache zu übersetzen. Nun verlangt Kunde Sam (TJ Power), dass sie für ihn bei einer Sexhotline anruft. Weil sie ihn sympathisch findet, lehnt sie nicht gleich ab. Die Devise, dass Erotik mit Sprache beginnt, wird in der Übersetzung von expliziten Sex-Talks in Zeichensprache auf jeden Fall allerdings schwer auf die Probe gestellt. Aber auch für die romantischste der Episoden dieses durchweg glänzend gespielten und letztlich sehr lebensklugen Films gilt: Sex ist nun mal kein wirklich gemütliches Thema, daran kann auch die Erfindung des »Mummy Porn« nichts ändern.
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