Kritik zu Der Imker
Der Schweizer Regisseur Mano Khalil erzählt in diesem Dokumentarfilm die bewegende Geschichte eines Mannes mit Imkerleidenschaft, der fast alles verloren hat und doch nicht aufgibt
Es ist dunkel im Wald. Und die Männer, die im Licht eines Autoscheinwerfers große Kisten auf einen Transporter bugsieren, könnten durchaus Schmuggler sein. Die Sprache ruft – denen, die sie nicht verstehen – Töne und Bilder aus anderen Filmen auf, die im türkisch-iranischen Grenzgebiet spielen. Dass das täuscht, verrät die Übersetzung in den Untertiteln. Denn wir sind mitten in der Schweiz. Und die Kästen sind Bienenstöcke, die in ihre Winterquartiere nach Basel und Andermatt gebracht werden sollen.
Die anfängliche Wahrnehmung war dennoch nicht ganz falsch. Denn Ibrahim Gezer stammt wirklich aus dem türkischen Kurdistan. Dort war der Imker aus Leidenschaft stolzer Besitzer einer fünfhundert Völker großen Bienenpopulation – und mit elf Kindern und neu gebautem Haus fast ein gemachter Mann. Doch die politische Gemengelage (er selbst spricht vom Krieg) zerrieb die Hoffnung auf ein glückliches Familienleben in den Mühlen staatlicher Gewalt.
Sieben Jahre hatte Gezer sich vor den türkischen Soldaten auf der Flucht versteckt. Irgendwann fanden er selbst und einige der Kinder Zuflucht in der Schweiz. Dort wird er zur »Eingliederung« mit einer Arbeit bedacht, deren Regelmäßigkeit – so denken Bürokraten eben – seinem Leben Sinn und Struktur geben soll. Und weil Imkerei zwar ein schönes Hobby sei, doch kein Beruf (so die betreuende Sozialarbeiterin) sitzt Herr Gezer bald in einer schmucken Fabrik, um Hustenbonbons vom Fließband in Kartons zu packen. Doch seinem eigentlichen Lebensinhalt bleibt er zumindest in der Freizeit treu.
Der Imker ist nach Markus Imhoofs More Than Honey schon der zweite dokumentarische Bienenfilm aus der Schweiz in zwei Jahren. Und wie Imhoof sieht auch Mano Khalils Held die kooperative soziale Organisation der Honigbienenvölker als Gegenbild zum destruktiven Zustand der menschengemachten Welt. Neben solchen Bezügen gibt es hier auch eine ganz elementare Seelenverwandtschaft zwischen den Tieren und dem aus seiner Heimat verstoßenen Bienenflüsterer. Herr Gezer kann auch mit Menschen, mag er auch Schweizerdeutsch sehr viel schlechter verstehen als die Bienensprache.
Der Film des selbst im syrischen Kurdengebiet geborenen Schweizer Regisseurs Mano Khalil (Unser Garten Eden) wurde auf fast jedem Festival, zu dem er bisher eingeladen war, mit einer Auszeichnung bedacht. Ein Grund dafür ist sicherlich sein Held, der durch alle Schläge des Schicksals und trotz einiger Melancholie ein Mann von ansteckendem Lebensmut bleibt. Vielleicht aber noch wichtiger ist, wie Regisseur Khalil und sein Team aus Gezers dramatischer Geschichte einen Film zusammenbauen, der zwar tief anrührt, doch nie ins Pathetische abgleitet. Zudem schafft die Montage von Thomas Bachmann ein ebenso einleuchtend schönes wie vielschichtiges System von Differenzen und Spiegelungen zwischen kurdischen Bergdörfern und Alpenland. Am Ende bekommt Ibrahim Gezer ein echtes Schweizer Messer mit eingraviertem Namen geschenkt. Aber keine Angst. Für einen Wohfühlfilm ist Der Imker viel zu wahrhaftig.
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