Kritik zu Der Graf von Monte Christo
Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière, verantwortlich für die Drehbücher der erfolgreichen Neuverfilmungen der »Drei Musketiere«, haben sich mit Pierre Niney in der Hauptrolle des nächsten Dumas-Romans angenommen
Nachts auf stürmischer See wird das Schicksal des jungen Seefahrers Edmond Dantes besiegelt, und als Zuschauer wird man sofort mitgerissen in den Strudel der Leidenschaften, so unmittelbar wie wohl kaum je zuvor in einer Verfilmung von Alexandre Dumas' berühmtem Roman. Seit der ersten Stummfilmversion von 1908 wurde das Epos um Liebe, Missgunst, Neid und Rache immer wieder Stoff von Film- und Fernsehproduktionen, von Telenovelas und Animationen, weltumspannend von Europa bis Mexiko, Indien, China, Japan und Südkorea, aber noch nie so physisch, sinnlich und psychologisch vertieft.
Edmond zieht den Zorn seines Kapitäns Danglars auf sich, als er gegen dessen Befehl in die tosende See taucht, um eine junge schiffbrüchige Frau zu retten. Angela sei ihr Name, und mehr solle er besser nicht wissen, sagt sie vielsagend und entschwindet. Als der Kapitän ihn beim Schiffsreeder anschwärzt, entlässt dieser überraschend Danglars und ernennt an seiner statt Edmond. Fortan finanziell abgesichert, kann der aus armen Verhältnissen stammende Dantes seine Mercedes heiraten, doch hinter den Kulissen braut sich Unheil über ihm zusammen, ein böser Cocktail aus Missgunst und Eifersucht: Vom Traualtar weg wird er von den royalen Garden abgeführt. »Keine Sorge, das klärt sich, ich werde bald zurück sein«, verspricht er seiner Braut, verschwindet dann aber spurlos in den finsteren Kerkern der berüchtigten Gefängnisinsel Chateau d'If.
In Filmen wie »Yves Saint Laurent« oder »Frantz« wirkte Pierre Niney oft ein wenig spröde. Doch hier intoniert er eindrucksvoll die Wandlung vom unbeschwerten jungen Mann zu einem in vierzehn Jahren Kerker ausgemergelten, verbitterten Gefangenen und schließlich zum mysteriös mondänen Grafen von Monte Christo, der eine komplizierte Intrige in Gang setzt und dabei von seiner eigenen Racheobsession zerfressen wird. Ein alter Abbé, Schicksalsgefährte im düsteren Kellerverlies, eröffnet ihm eine Fluchtmöglichkeit und den unermesslichen Reichtum eines versteckten Freibeuterschatzes. So wird Edmond wiedergeboren, um Rache an den drei Männern zu nehmen, die ihm mit dem Vorwand einer Hochverratsanklage sein Leben, seine Liebe und seinen Job gestohlen haben: der Staatsanwalt Villefort, der eine private Affäre zu vertuschen hat, Danglars, der sich für die Demütigung des Rauswurfs rächen will, und sein Cousin Fernand de Morcerf, der bei Mercedes eigene amouröse Interessen verfolgt.
Visuell kontrastiert Kameramann Nicolas Bolduc die luxuriöse, sonnendurchflutete Weite in den Schlössern und Gärten mit der düsteren Enge des Kerkergefängnisses und der Hinterzimmer und Gerichtssäle, in denen die Mächtigen ihre mörderischen Intrigen spinnen. Immer wieder nimmt die Kamera die kleinen Menschen aus weiter Ferne von oben in den Blick, wie eine Fliege im Spinnennetz. Es ist ein ausgeklügeltes Räderwerk, das der Graf von Monte Christo mit unerbittlicher Stringenz in Bewegung setzt, in einem wuchtigen Melodram, das auch dem Zuschauer immer wieder den Atem nimmt.
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