Kritik zu Der Gesang der Flusskrebse

© Sony Pictures

2022
Original-Titel: 
Where the Crawdads Sing
Filmstart in Deutschland: 
18.08.2022
L: 
125 Min
FSK: 
12

Eine Hütte für sie allein: In dieser Bestsellerverfilmung wird im Rahmen eines Gerichtsdramas vom Überlebenskampf eines Mädchens erzählt, das von seiner Familie verlassen wurde und in der wilden Südstaatennatur sein Paradies findet

Bewertung: 3
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Ein kleines Mädchen wird zuerst von ihrer Mutter, dann von ihren vier älteren Geschwistern, und dann auch von ihrem prügelnden, trinkenden Vater verlassen und bleibt allein in einer Hütte im Wald zurück. Dies ist der Ausgangspunkt einer modernen Frauensaga mit archaischen Anklängen, eines feministisch angehauchten Aschenputtelmärchens, das in Buchform bis jetzt weltweit 15 Millionen Mal verkauft wurde. Die Verfilmung von Delia Owens 2019 veröffentlichtem Romandebüt nun ist recht buchstabengetreu. Angesiedelt ist die Handlung in den Fünfziger- und Sechzigerjahren in einer Sumpflandschaft an der Küste von North Carolina. Für die siebenjährige Kya wird der Wald zur Zuflucht. Etwas Geld verdient sie durch den Verkauf von Muscheln an einen schwarzen Ladenbesitzer im nahe gelegenen Küstenstädtchen. Er ist nahezu der Einzige, der dem ungewaschenen Mädchen mit Freundlichkeit und Unterstützung statt mit Spott und Verachtung begegnet. Und dann sind da im Lauf der Jahre natürlich auch Jungs, die sich für das sagenumwobene »Marschmädchen« interessieren, und die Kya in das übliche Dilemma stürzen: Sie wird von ihnen verlassen, und sie wird sie nicht los. Zu Filmbeginn liegt einer tot unter dem Feuerwachturm im Wald, und der scheuen Kya, des Mordes verdächtigt, wird der Prozess gemacht. So beginnt der Film als Gerichtsdrama, in dem sich, in Rückblenden, ihre Lebensgeschichte entfaltet.

Im Grunde wird hier aber eine Selbst­ermächtigungsgeschichte gesponnen, in der die Heldin sich eigenhändig aus dem Sumpf zieht und diesen zugleich als ihr ureigenes Reich handfest verteidigt: die sich ihre eigenen Gesetze jenseits der gesellschaftlichen Hackordnung macht und niemand darüber Rechenschaft ablegt. Im Film wird leider wenig glaubhaft gemacht, warum das Kind so zurückgelassen wird. Allzu stereotyp ist auch die Aufteilung der Verehrer: hier der besitzergreifende Sohn aus reichem Hause, dort der Kümmerer aus bescheidenen Krabbenfischerverhältnissen, der Kya Lesen und Schreiben beibringt. Die abschließende Pointe der Mordermittlung dürfte erfahrene Leser und Kinogänger nicht sehr überraschen.

Dennoch erinnert der Stoff nur auf den ersten Blick an Nicholas-Sparks-Verfilmungen, jenes Subgenre gelackter Südstaaten-Romanzen, das gerade Frauen ins Kino zog. Regisseurin Olivia Newman tut ihr möglichstes, um Kitschfallen auszuweichen und lässt auch den mythischen Diana- und Hexenaspekt, der die Hauptfigur umwabert, nur dezent anklingen. Es hilft, dass die Britin Daisy Edgar-Jones mehr apart als blendend schön ist. Die elysische Sinnlichkeit, die Kya im Einssein mit der Natur empfindet, wird leider mehr behauptet als spürbar gemacht. So hübsch die Ausstattung ist, so klangvoll der balladeske Soundtrack von Taylor Swift: Es fehlt letztlich doch an ästhetischer Inspiration. Oder, profaner ausgedrückt: Anders als bei so mancher Sparks-Verfilmung wird man nicht besonders dazu angeregt, die Dreh­orte nachzugoogeln.

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