Kritik zu Der Code

© Unfiltered Artists

2023
Original-Titel: 
The Return from the Other Planet
Filmstart in Deutschland: 
13.03.2025
L: 
81 Min
FSK: 
Ohne Angabe

In seinem Dokumentarfilm bringt Assaf Lapid dem Publikum Leben und Werk des israelischen Autors Yehiel De-Nur nahe, der als »Ka-Tzetnik 135633« in seinen Büchern versucht hat, den Code von Auschwitz zu entschlüsseln

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Ein Mann, drei Identitäten. Der 1909 im polnischen Sosnowiec geborene Yehiel Feiner überlebte zwei Jahre Haft im Konzentrationslager Auschwitz. 1946 veröffentlichte er als »Ka-Tzetnik 135633« den autobiografisch geprägten Roman »Salamandra«. Sein 1953 erschienenes Buch »Das Haus der Puppen« über eine Kohorte von Sexsklavinnen der Wehrmacht beeinflusste den englischen Musiker Ian Curtis, dessen Band sich 1978 in Joy Division umbenannte. Für die Hochzeit mit Nina Asherman nahm Ka-Tzetnik einen neuen bürgerlichen Namen an: Yehiel De-Nur. 

Assaf Lapids Film »Der Code« begibt sich auf die Spurensuche nach einem Mann, der in Israel trotz des Erfolgs seiner Bücher ohne öffentliche Auftritte und Fotos zunächst ein Rätsel blieb. Erst seine Zeugenaussage beim Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem 1961 offenbarte seine Identität. In den Worten eines Schriftstellers versuchte er, sich dem Thema Auschwitz (»Planet der Asche«) zu nähern, wurde dabei von einem Fragesteller unterbrochen und verlor das Bewusstsein. 

Lapids in drei Kapitel unterteilte historische Zeitreise beginnt mit dem Blick auf eine Villa in Leiden in den Niederlanden. Dort unterzog sich De-Nur 1976 einer experimentellen Behandlung mit LSD. Der Neurologe und Psychiater Jan Bastiaans hatte sich darauf spezialisiert, Opfer von traumatischen Erfahrungen mit dem Halluzinogen zu therapieren. De-Nur erhoffte sich ein Ende der »quälenden Alpträume der vergangenen 30 Jahre«, wie ihn eine Erzählerstimme aus dem Off zitiert. Sie spricht auch von den Nächten im Bett, »in Erwartung der Begegnung mit meinen schlimmsten Ängsten«. Lapid kann für seine biografische Rekonstruktion auf transkribierte Aufnahmen der fünf Sitzungen in Leiden zurückgreifen. Sie führten den Patienten wie ein hypnotischer Trip in seine Kindheit zurück und schließlich ins Lager Auschwitz. 

Spielszenen, historische Fotos, Filmaufnahmen und Ausschnitte aus TV-Auftritten von De-Nur sowie Interviews mit seiner Frau Nina, mit Zeitgenossen, Historikern, Psychiatern und Literaturwissenschaftlern zeichnen ein komplexes Bild. Sichtbar wird ein Autor, der feststellte: »Ich möchte mich an alles erinnern.« Er sah nur so einen Sinn darin, die Schoah überlebt zu haben. Er wollte den Toten eine Stimme geben, den Code des für ihn einzigartigen »anderen Planeten« Auschwitz entschlüsseln. Zum Schreiben zog er sich in eine Hütte zurück und schrieb in seiner nach Israel mitgeführten Häftlingskleidung.

Die Behandlungen in Leiden motivierten eine Wandlung in De-Nurs Zugang zu Auschwitz. In den poetisch stilisierten Bildern des Lagers in Lapids Film begegnen sich Opfer und Täter, Häftling und SS-Mann. »Ich bin die Deutschen, die SS und ich sind eins«, schrieb De-Nur später. Auschwitz erschien ihm nun nicht mehr als einmaliges Phänomen, sondern als Beispiel für das allen Menschen innewohnende Potenzial für Barbarei. Yehiel De-Nur ist 2001 mit 92 Jahren in Tel Aviv gestorben. Assaf Lapids Film bringt uns Leben und Werk ganz nah.

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