Kritik zu Death Wish
Eli Roth verfilmt noch einmal Brian Garfields Roman, der durch Michael Winners Selbstjustiz-Thriller von 1974 »Ein Mann Sieht Rot« weltweit für Diskussionen sorgte. Mit so viel Affirmation, dass aus dem Rachedrama eine bitterböse Satire wird
Die Zeichen sind kaum zu übersehen. Das Glück der Familie Kersey wirkt eine Spur zu perfekt. Während der Chirurg Paul Kersey Menschen rettet, unter ihnen auch einen Polizistenmörder, malen die Moderatoren der Talk-Radio-Shows ein immer düstereres Bild. Chicago versinkt in Straßengewalt. Aber die verantwortlichen Stellen unternehmen nichts. Die Bürger der Stadt sind auf sich gestellt, das behaupten zumindest die Radiomoderatoren.
Für all das interessiert sich der stoische Kersey nicht. Er sieht die Welt mit den Augen eines Mannes, den nichts aus der Ruhe bringen kann, nicht einmal ein pöbelnder Familienvater, der bei einem Fußballspiel seiner Tochter seine Männlichkeit infrage stellt. Bruce Willis verkörpert dieses leuchtende Beispiel liberaler Bürgerlichkeit mit einer Gelassenheit, die schon fast an Teilnahmslosigkeit grenzt. Dann werden bei einem Einbruch in seine Villa seine Frau ermordet und seine Tochter schwer verletzt. Plötzlich ist er nicht mehr nur der Arzt, der die Opfer von Schussverletzungen wieder zusammenflickt, sondern auch ein Opfer, das in die Mühlen eines langsamen, scheinbar ineffizienten Systems gerät. Also greift er schließlich selbst zur Waffe.
Im Abspann von »Death Wish«, Eli Roths Verfilmung von Brian Garfields Selbstjustiz-Thriller, erscheint zwar noch ein Hinweis auf Michael Winners umstrittenen Genreklassiker »Ein Mann sieht rot«. Aber letztlich verbinden höchstens Oberflächlichkeiten diese beiden Filme. Winner hat 1974 tatsächlich von dem Todeswunsch eines Mannes erzählt, der jeden Halt verloren hat. Charles Bronsons Kersey träumte von Auslöschung und nicht von Rache. Dabei war es ihm gleich, ob er nun Kriminelle auslöschte oder sie ihn. Nicht zufällig verschwinden die Mörder von Kerseys Frau nach der Tat komplett aus dem Film. Nicht so in Eli Roths Variante der Geschichte. Hier erwischt Kersey schließlich die Richtigen und stellt damit die Ordnung wieder her, auch in den Augen der Polizisten, die ihn, den die Medien »Grim Reaper« nennen, eigentlich verhaften müssten.
Aus Winners ambivalentem Thriller, der den Vigilanten Kersey feiert, um ihn letztlich an sich und der Welt irre werden zu lassen, wird in Roths Händen eine grelle Satire. Schon die Casting-Entscheidung für Bruce Willis, der den Vigilanten in einen gealterten Bruder John McClanes, also in einen ungebrochenen Helden, verwandelt, spricht Bände. Eli Roth geht den Weg der hemmungslosen Affirmation. Auf den ersten Blick wirkt »Death Wish« so distanzlos wie der inszenierte Werbespot eines Supermarkts für Schnellfeuerwaffen, den sich Kersey auf seinem Laptop ansieht. Es gibt kein Problem, das sich nicht mit einem halbautomatischen Gewehr lösen ließe. So ist es auch nicht Kersey, der einen verborgenen Todeswunsch hegt, es ist die US-amerikanische Gesellschaft, die ihren Todestrieb nicht unter Kontrolle bekommt. Am Ende verkünden die Talk-Radio- Moderatoren, dass die Anzahl der Morde in Chicago dank des »Grim Reaper« zurückgegangen sei. Selbstjustiz als Heilmittel, ein böserer Witz ist kaum vorstellbar. Die NRA wird sich freuen.
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