Kritik zu Broker
Nach dem Ausflug ins französische Kino (»La Vérité«) knüpft Hirokazu Kore-eda nun in Südkorea an das Grundthema seines Kinos an: die Vieldeutigkeit familiärer Beziehungen
Warum ist der Regisseur diesen Figuren nur so wohlgesonnen? Es ist auf Anhieb kaum zu glauben, wenn man das Personal dieses Films in den Blick nimmt. Eine junge Frau legt in einer Regennacht ihr Neugeborenes vor der Babyklappe einer Kirche ab. Zwei Männer nehmen es entgegen, freilich nicht, um es in die Obhut der Kirche zu geben, sondern an das meistbietende adoptionswillige Ehepaar zu verkaufen. Den zwei Polizistinnen, die ihnen auf den Fersen sind, geht es offenbar weniger um das Kindeswohl, sondern sie warten ab, bis es zu einem Geschäftsabschluss kommt und sie die Kinderhändler endlich verhaften können.
Mit diesem Zusammentreffen von Verzweiflung, Habgier und Kalkül haben Zynismus und Schäbigkeit längst noch nicht ihr Ende erreicht. So-young (Ji-eun Lee), die junge Mutter, wird von der Polizei gesucht, weil sie einen Freier getötet hat. Sie macht die Kindesentführer ausfindig, den Kirchenmitarbeiter Dong-soo (Gang Dong-won) und seinen Kumpan Sang-hyeon (Song Kang-ho), der eine Wäscherei betreibt und bei lokalen Ganoven Schulden hat. So-young fordert jedoch nicht ihren Sohn zurück, sondern einen Anteil am Geschäft. Dem haben die zwei, die keine Genies sind, wenig entgegenzusetzen. Gemeinsam suchen sie geeignete Kunden.
Natürlich lässt Kore-eda ihnen ihre Verworfenheit nicht einfach durchgehen. Aber vorerst schaut er mit gelassener Neugier zu, wohin sie ihre Reise durch Südkorea führt. Sie wird ein Abenteuer des Zusammenwachsens und der Erkenntnis. Es ist kein Fehler, dieser Behaglichkeit zu misstrauen. Aber die Zuneigung des Regisseurs zu seinen Figuren hält Wachsamkeit aus. Bei einem Besuch im Waisenhaus, in dem Dong-soo aufwuchs, schließt sich der kleine Hae-jin dem Trupp als blinder Passagier an. Er erweist sich als echter Zugewinn für die Gemeinschaft, ist unternehmungslustig, unverblümt und stellt kluge Fragen. Mit seinem Auftreten offenbart sich, dass diese Bande aus lauter Schiffbrüchigen besteht, deren Leben durch das Scheitern familiärer Beziehungen bestimmt wurde.
Allmählich öffnet sich ein Freiraum der Ambivalenz. So-young sabotiert sämtliche Verkaufsverhandlungen, und ihre Komplizen fügen sich. Die »höheren Beweggründe«, die sie eingangs frech für sich reklamierten, nehmen unerwartet Gestalt an. Ihre Kinderliebe, die rätselhaft unvermittelt mit ihrem Geschäftssinn schien, gewinnt zusehends haptische Selbstverständlichkeit. Das ist immer ein gutes Zeichen bei diesem Regisseur. Ausgreifende Fürsorglichkeit stellt sich ein. Das Baby wird in abwechselnden Schichten gefüttert; auch der kleine Waisenjunge will hierfür in die Pflicht genommen werden. Eine Familie bildet sich heran und So-young betrachtet ihre Situation in neuem Licht. Obwohl jede juristische Wahrscheinlichkeit dagegen spricht, ist allseits der Traum vom Neuanfang groß. Die Polizistinnen, die ihrerseits die Grenzen der Legalität ausdehnt. Warum ist der Regisseur diesen Figuren nur so wohlgesonnen? Es ist auf Anhieb kaum zu glauben, wenn man das Personal dieses Film in den Blick nimmt.
Kommentare
Broker
Broker ist nach Burning, Parasite der nächste Beweis,wie aufregend und aktuell das südkoreanische Kino ist. Der Cast ist herausragend, Kamera und Musik ebenfalls. Das wird stilprägend sein in den nächsten Jahren, Regisseure wie Bong Jon Wo, Park Chon wok und Kim ki Duk bestechen durch ihre Bildsprache und die Themen, die auf allen Kontinenten verstanden werden.
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