Kritik zu Bob Marley: One Love
Reinaldo Marcus Green (»King Richard«) führt Regie beim ersten Spielfilm über das Leben und die Musik von Bob Marley. Das Biopic mit dem britischen Schauspieler Kingsley Ben-Adir in der Hauptrolle entstand in Kooperation mit Marleys Erben
Ein alter Mann, eine Frau und ein kleiner Junge sitzen an einer Straße und warten auf den Bus. »Pass gut auf, auf deinem Weg«, sagt der alte Mann und der Junge, der da noch Nesta gerufen wird, verschwindet aus dem Bild, um im nächsten als Bob Marley wieder aufzutauchen. Was alles dazwischen liegt, wie Robert Nesta Marley aufwuchs, bleibt vage und größtenteils unerwähnt. Einzig auf die ersten Begegnungen mit seiner späteren Frau Rita wird schlaglichtartig zurückgeblendet. Irgendwie weiß man, es ist seine große Liebe, aber fühlen kann man es nicht.
Auch die erste Aufnahme mit den Wailing Wailers, Marleys erster Band, in der auch Peter Tosh und Bunny Livingston spielten und die von dem großartigen Lee Scratch Perry produziert wurde, wird lediglich musikalisch Referenz erwiesen. Kein Wort darüber, wie der Mechaniker Marley zum Musiker wurde, oder darüber, wie sich diese frühe Band fand, geschweige denn, dass Peter Tosh Erwähnung finden würde. Die Szene bleibt eines der vielen seelenlosen Tableaus dieses Biopics, bei dem Dinge wie Marleys ärmliches Zuhause in Trenchtown oder die vielen Affären, die er hatte, oder seine daraus resultierenden zwölf Kinder, immer nur am Rande erwähnt werden.
Das Augenmerk des Films liegt auf der Darstellung von Marley als Lichtgestalt mit Dreadlocks, einem Prediger der Rastafari und einem großartigen Musiker, der aus dem schnellen Ska den entspannten, Marihuana-durchwirkten Reggae entwickelte. Trotz eines zum Glück glimpflich ausgegangenen Anschlags auf sein Leben sang er von Liebe und Verständnis und trug zur Versöhnung der widerstreitenden politischen Kräfte bei, die seine Heimat Jamaika fast in den Bürgerkrieg getrieben hätten. Selbst seinem Attentäter kann er verzeihen.
All das klingt glaubwürdig und wird von den großartigen Songs getragen, doch man vermisst die Intimität. »Bob Marley: One Love« ist ein Film über eine Ikone der Musikgeschichte; es gibt keine Brüche, keine Einwände oder gar dunkle Seiten. Die Sonne Jamaikas scheint aus ihm heraus und klingt in jedem Ton seiner Musik, selbst dann, wenn sie wie in »War« oder »Get up stand up« zum Kampf aufruft. Der Gipfel seines Schaffens, und der Höhepunkt des Films, ist einer seiner größten Songs, der gleichzeitig seine Bescheidenheit in sich trägt und in einer besonders bewegenden Szene fast vollständig gespielt wird: »Redempton Song«, zur akustischen Gitarre nur Marley allein, ein Moment universeller Erlösung. Bob Marley stirbt mit nur 36 Jahren an Krebs.
Der u.a. von Rita Marley und Brad Pitt produzierte Film will Bob Marley ein Denkmal setzen. Der Brite Kingsley Ben Adir spielt ihn mit großer Konzentration und Leidenschaft. Aber wirklich nahe kommt man Bob Marley nicht. In jeder Szene bleibt er der Superstar, den man bewundern muss. Kaum jemand, der nicht bereits Fan von Marley war, wird es nach diesem Film sein. Ein Dokumentarfilm hätte hier vielleicht mehr geleistet.
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