Kritik zu King Richard

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2021
Original-Titel: 
King Richard
Filmstart in Deutschland: 
24.02.2022
L: 
140 Min
FSK: 
12

Reinaldo Marcus Greens Biopic über den Vater der Tennis spielenden Williams-Schwestern ist eine kritische Würdigung, die den unerbittlichen und nicht immer nur sympathischen Charakter hervorhebt

Bewertung: 4
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Dass hier eine Erfolgsgeschichte erzählt wird, lässt sich unschwer kombinieren. Denn selbst die Ahnungslosesten werden wohl schon einmal von Venus und Serena Williams gehört haben, den beiden Tennis spielenden Schwestern an der Weltspitze. Wer sich allerdings nicht über die üblichen Nachrichtenmeldungen hinaus für diese Sportart interessiert, der/die weiß wahrscheinlich nicht, dass die beiden Mädels (Venus ist Jahrgang 1980, Serena 1981) in Compton, Los Angeles, aufgewachsen sind. Dieser Vorort, in dem in den späten 1980er Jahren der Bandenkrieg zwischen den Bloods und den Crips eskalierte und der auch heute noch eine der höchsten Kriminalitätsraten der USA aufweist, ist bekanntermaßen kein sonderlich karriereförderndes Pflaster. Da können die Tennisfans allerorten im Nachhinein also recht froh sein darüber, dass es diesen sturen, rechthaberischen und ehrgeizigen Alten gab, der dafür sorgte, dass aus seinen Töchtern dennoch etwas wurde. Mit tatkräftiger Unterstützung seiner Frau, versteht sich.

Wahrscheinlich würde Richard Dove Williams Jr., geboren 1942 in Shreveport, Louisiana, darauf einen lassen. Wie in jener Szene in Reinaldo Marcus Greens Sport-Biopic »King Richard«, in der der Titelheld mit möglichen künftigen Agenten seiner Töchter in Verhandlungen tritt und einer der beiden selbstverständlich weißen Männer nicht mal unbedingt herablassend meint: Mit der herausragenden Ausbildung von Venus und Serena habe er, Mr. Williams, Beeindruckendes geleistet, vor allem wenn man die äußeren Umstände und die Voraussetzungen bedenke. Womit natürlich die bescheidene Herkunft der Williams-Schwestern gemeint ist. Und worin zugleich zum Ausdruck kommt, wie ungewöhnlich es war (ist?), dass Afroamerikaner*innen im Oberschichtsport Tennis reüssieren. Der Mann hat den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, da sieht man, wie Williams, den wir zu dem Zeitpunkt bereits als einen reichlich ungeduldigen und kurzluntigen Mann kennengelernt haben, unruhig wird. Beziehungsweise wie Will Smith, der ihn spielt, ins dramatische Register wechselt und die Wut zieht. »King Richard« nennt das Kind beim Namen: Ja, sie seien nicht begütert und kämen aus dem Ghetto, na und!? Dann lässt er lautstark einen fahren, steht auf und geht. Drei brüskierte weiße Männer sitzen am Tisch und wissen nicht, was sie getreten hat.

Richard Williams ist nicht nur kein Sonnenscheinchen, er hat auch mit Diplomatie nichts am Hut. Auf alles, was rassistisch auch nur anmutet, geht er frontal los und lässt nicht locker. Er ist, um mit James Baldwin zu sprechen, »Nobody's Negro«. Doch er zieht in diesen Auseinandersetzungen nicht selten auch eine Karte in einem hässlichen Spiel, das er um seiner Töchter willen um jeden Preis gewinnen will. Er muss ihnen den Weg ebnen, der sie an die Spitze führen wird, letzteres steht für ihn außer Zweifel. Und während er nicht nur seinen Zeitgenoss*innen, sondern auch dem Publikum mit seiner Großspurigkeit und Rechthaberei immer mal wieder mächtig auf den Wecker fällt, rührt es einen doch zugleich an, mit welcher Unbedingtheit da einer an den American Dream glaubt und daran, dass »Vom Tellerwäscher zum Millionär« auch für schwarze Menschen gilt.

Alles andere als ein einfacher Charakter, diese Figur, und demnach endlich einmal wieder eine nahrhafte Rolle für Will Smith, der sowieso viel zu selten zeigt, was er schauspielerisch so alles draufhat. So ist es denn auch vor allem Smiths Darstellung, die für den Film insgesamt einnimmt; abgesehen von dem Vergnügen, das ein Sportfilm traditionellerweise ohnehin bietet und das darin liegt, dass die Underdogs am Ende die strahlenden Heldinnen sind. Ein ebensolches Vergnügen ist es, Smith als Williams agieren zu sehen. Kraftvoll, raumgreifend, durchtrieben witzig und doch immer nuanciert. Er ist die ideale Besetzung, nicht zuletzt weil ihm, wie schon bei Michael Manns »Ali« (2001), seine berühmt-berüchtigte naturgegebene große Klappe erneut sehr zupasskommt. Das ungeheure Selbstbewusstsein, mit dem King Richard das weiße Tennis-Establishment seinerzeit herausgefordert hat, nimmt man Smith ohne weiteres ab. Und die Grobheiten und Beleidigungen, die Williams in seiner Eigenschaft als Wegbereiter mal mehr, mal weniger umständehalber austeilt, die mildert Smith mit seinem berühmt-berüchtigten naturgegebenen großen Charme ab.

Nebenher geht es freilich auch noch ums Geld und um die Übersetzung eines Businessplans in die Realität, der auf der körperlichen Abrichtung zweier Mädchen von Kindesbeinen an fußt. Diesen Aspekt der Williams-Legende nimmt Green, der hier ein Drehbuch von Zach Baylin verfilmt, sportlich; er schleicht nicht darum herum wie die Katze um den heißen Brei, er geht der Sache aber auch nicht vertiefend auf den Grund. Die Psychologie der Schwestern wird über die Merkmale Ehrgeiz und Konkurrenz hinaus nicht erkundet – »King Richard«, zu dessen ausführenden Produzent*innen unter anderen auch Venus und Serena Williams selbst gehören, ist keine Abrechnung, sondern eine kritische Würdigung, die es mit der Kritik nicht übertreibt. Das Timing ist perfekt – Richard Williams nämlich wird am 14. Februar 2022 achtzig Jahre alt; und so ist »King Richard« auch ein Geburtstagsgeschenk, über das ein sturer, rechthaberischer, ehrgeiziger Alter, der kein Blatt vor den Mund nimmt, sich sehr wohl sehr freuen kann.

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