Kritik zu Bardsongs
Weinen muss das Kamel hier nicht: Sander Franckens musikalisches Triptychon aus verschiedenen Wüstenlandschaften der Welt setzt auf ein verbrüderungswilliges Weltkulturpublikum
Eine Musiktruppe jammt auf einer Anhöhe über der kargen Landschaft Rajasthans. Hinter der Silhouette des malinesischen Sängers Afel Bocoum zieht im Abendlicht eine Piroge durch den Fluss. Und auch in einem abgelegenen Dorf des nordindischen Ladakh wird eine traditionelle Ballade gesungen. Drei Orte. Drei Balladen mit mitreißenden Melodien und vertrackten Rhythmen.
Die drei Geschichten, die in ihnen erzählt werden, sind auch die der drei Episoden des Films: Da ist die Stadt Jodhpur, wo Vater und Sohn auf einem Kamelkarren unterwegs sind, um Plastikmüll zu sammeln. Während Sohn Sahir mit jugendlichem Ungestüm gegen jede Ungerechtigkeit angeht, steckt sein Vater auch schwere Schicksalsschläge (und davon gibt es einige) mit Gleichmut ein. Dafür erntet er Unverständnis in seiner Umgebung, bekommt vom Leben – und vom Sohn – am Ende aber recht. In der großen Lehmmoschee von Djenné bekommt der kleine Bouba von seinem Koranlehrer die Frage gestellt, was die größte der Erkenntnisse sei – und sieben Tage Zeit zur Lösung. Der Junge sucht bei diversen Menschen Rat, bevor er die Antwort fast beiläufig selbst erkennt. Und im Ladakh will ein Bauer gegen den Wunsch seiner Tochter ein junges Lasttier gegen ein Mobiltelefon tauschen, weil ihm Nachbarn das einreden. Es ist ein beschwerlich langer Weg, bis er erkennt, dass zu viel Nachgiebigkeit falsch ist, und lernt, der eigenen Stimme zu folgen. Francken macht aus diesem Stoff mit einheimischen Laiendarstellern ein kompositorisch perfekt ausgelotetes und stimmiges Triptychon, bei dem die einzelnen Szenen mit sparsamen Dialogen als verführerische Vignetten aus dem musikalischen Erzählfluss herausfunkeln.
Der 1952 geborene Francken hat in seiner Heimat Holland als Regisseur von Werbe-, Spielund Dokumentarfilmen einen Namen und gibt sich als dezidierter Verfechter interkultureller Verständigung. So hat auch Bardsongs (der ursprünglich noch christliche und jüdische Episoden enthalten sollte) das Anliegen, die universale Verbundenheit unterschiedlicher Kulturen und Religionen aufzuzeigen. Das gelingt insofern, als die illustrierten Weisheiten auf dem subideologischen Niveau spiritueller Allgemeinplätze liegen und so wenig konfliktträchtig sind. Für den Weltfrieden dürfte solch idealistische Völkerversöhnung dennoch wenig bringen, denn der Krieg beginnt ja nicht zwischen den Erhellten unterschiedlicher Provinienz, sondern dort, wo niedere Motive die Oberhand ergriffen haben und den Glauben instrumentalisieren.
Ein wichtiges dieser Motive ist die patriarchale Herrschaft, die durchgängig auch die im Film gezeigten traditionellen Kulturen bestimmt und von den beiden ersten Episoden bedrückend brav reproduziert wird: Frauen kommen nur als Mütter und potenzielle Geliebte vor, während die Männer die Welt erkunden. In der dritten Episode darf dann töchterliches Aufbegehren wenigstens ein klein wenig gegensteuern. Lesen wir es als Zeichen für einen hoffentlich baldigen frauenbewegten Frühlingsaufbruch auch im ethno-folkoristischen Film.
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