Kritik zu Ausgerechnet Sibirien
Joachim Król als pedantischer Biedermann, der sich irgendwo in Südsibirien wundersam in einen Mann der Passion und Poesie verwandelt.
Auf dem Papier sieht alles stimmig und vielversprechend aus: Story, Besetzung, Regie, Schauplätze. Produzentin Minu Barati, Ehefrau von Exaußenminister Joschka Fischer, schien für ihr erstes Spielfilmprojekt die richtigen Zutaten gefunden zu haben. Die Story, basierend auf Michael Ebmeyers Roman »Der Neuling«, klingt nach herrlich durchgeknallter romantischer Komödie: Matthias Bleuel, Logistiker einer Leverkusener Textilfirma, soll im südsibirischen Kemerovo die Außenstelle der Firma organisatorisch auf Vordermann bringen. Er stolpert durch eine Landschaft, in der russischer Weltraumschrott vom Himmel fällt, trifft mit seinem peinlichen Ordnungssinn auf eine ihm völlig fremde, feierfreudige und wodkaselige Mentalität, und verliebt sich schließlich in eine Meisterin des Kehlkopfgesangs, die dem indigenen Volk der Schoren zugehört.
Joachim Król als Matthias Bleuel scheint die ideale Besetzung für einen kontrollfreakigen Spießer, der mittels Exotik zum Romantiker umgekrempelt werden soll. Regisseur Ralf Huettner (Die Musterknaben, Vincent will Meer) ist bekannt für seine Fähigkeit, Verrücktheit und Sentiment in eine schöne Balance zu bringen. Eigentlich sollte da nichts schiefgehen, denkt man erwartungsfroh. Dann rollt der Film an und erweckt schon mit den ersten Szenen den Eindruck, als fühle er sich in seiner Haut nicht wohl. Als könne er das, was er sagen will, nur stammelnd und unkonzentriert zum Ausdruck bringen.
Bleuel joggt alleine durch den Wald, benimmt sich ruppig gegen zwei Männer, die ihm eine Ehebettmatratze abkaufen wollen, begegnet seiner Exfrau (Katja Riemann), die sich vor kurzem von ihm hat scheiden lassen. Offenbar soll erzählt werden, dass er sich in einer Lebenskrise befindet, dass ihn die Scheidung schmerzt, dass er nach Neuorientierung sucht. Aber Król spielt das so, als hätte er einfach nur schlechte Laune. Król macht den Eindruck, als hätte er keine große Lust, in diese Rolle zu schlüpfen. Und dieser Eindruck hält sich über weite Strecken des Films.
Was ist da schiefgelaufen? Hat Ralf Huettner nicht den richtigen Kontakt zu seinem Hauptdarsteller finden können? War das Drehbuch (Michael Ebmeyer und Minu Barati) nicht gründlich genug erarbeitet? Waren die Drehbedingungen zu chaotisch? Wie auch immer – viele Szenen sehen so aus, als seien sie flüchtig dahinimprovisiert. Es fehlt ihnen die Destillation der Gesten, die Prägnanz des Ausdrucks, die dramatisch durchkomponierte erzählerische Linie. Vieles wird angerissen und verflattert dann im Irgendwie. Zum Beispiel wird das Schwulsein von Bleuels Übersetzer und Betreuer (Vladimir Burlakov) einmal als großer familiärer Konflikt aufgebauscht, um sich im nächsten Augenblick in eine Nichtigkeit aufzulösen.
Erst als Sängerin Sajana (imposant: Yulya Men) ins Spiel kommt, gewinnt die Erzählung innere Spannung. Da führt, im letzten Drittel des Films, Bleuels Sibirienreise in eine wunderlich fremde, märchenhafte Landschaft, und dort findet Ausgerechnet Sibirien endlich zu jener Mischung aus komödiantischer Leichtigkeit und Märchenton, nach der zuvor vergeblich gesucht wurde.
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