Kritik zu Atomic Blonde
Agententhriller, Persiflage oder Splatter: Als eiskalte MI6-Agentin haut Charlize Theron kurz vor dem Fall der Mauer alles kurz und klein, was ihr in der dann noch getrennten Stadt in den Weg kommt
Endlich, könnte man meinen. Endlich eine Agentin, die sowohl dem frühen James Bond an Lässigkeit an den Bars der Nobelhotels dieser Welt in nichts nachsteht als auch dem jüngsten Bond an wilden Verfolgungsjagden und geschickter Kampftechnik locker das Wasser reichen kann. Etwa wenn sie mit einem Gartenschlauch gleich ein Dutzend – zugegeben tölpelige – Polizisten überwältigt – und sich dann mit einem Sprung aus dem oberen Stockwerk rettet, den Schlauch mit einem Beamten am anderen Ende noch in der Hand, damit sie unten nicht aufschlägt. Eine Agentin, die locker mit Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone mithalten kann.
Wie lässig, könnte man meinen, ein Agententhriller (basierend auf der Graphic Novel »The Coldest City« von Antony Johnston) der in den letzten Tagen vor dem Fall der Mauer in Berlin spielt, die kühle Ästhetik der späten 80er-Jahre des Westens und die Tristesse der untergehenden DDR einfängt und dabei auch gleich den Ost-West-Konflikt aufgreift, wenn der britische MI6 seine Agentin nach Berlin schickt, um dort den Mord an einem Kollegen aufzudecken, eine mysteriöse Liste mit Namen und Aufenthaltsorte aller britischen Agenten aufzutreiben und dabei auch gleich so manchen Doppelagenten zu enttarnen.
Und wie schade, denkt man, dass Regisseur, Stuntman und Schauspieler David Leitch (»John Wick)« das alles nicht zu nutzen weiß, sich nicht entscheiden kann zwischen actionreichem Politthriller, Splatter, schlichter Persiflage auf all die männlichen Agenten oder Reminiszenz an Klassiker wie Bond, »Kill Bill« oder ganz plump »Basic Instinct«, an den nicht nur der Titel überdeutlich erinnert, sondern auch das Verhör der Superagentin, das dem fast zweistündigen Spektakel den Rahmen gibt.
Schade, wie bemüht und uninspiriert Leitch den grauen Charme Ost-Berlins romantisiert, mit reichlich Neonlicht spielt, Popsongs in teils gruseligen Coverversionen – da gibt*s Nenas »99 Luftballons« und Falcos »Kommissar« auf Englisch – abdudeln lässt. Und schade, wie wenig Raum er der großartigen Charlize Theron in ihrer Rolle als eiskalte Agentin Lorraine Broughton gibt, die wahlweise in Overknee-Stiefeln auf Jagd nach Bösewichten geht oder in teuren Dessous vor dem Spiegel in ihrem Hotelzimmer sitzt, Vodka trinkt und ihre über den Tag mitgeschnittenen Gespräche abhört. Neben wilden Kampfszenen ist das übrigens ihre vorrangige Agententätigkeit, doch das ist nebensächlich, ebenso wie das übliche Verwirrspiel um all die vermeintlichen und tatsächlichen Doppelagenten und der Plot, dem irgendwann kaum noch zu folgen ist. Ansätze von menschlichen Zügen bekommt die weibliche Killermaschine einzig, als die junge französische Spionin Delphine (Sofia Boutella) auftaucht, wenig später in Lorraines Bett landet (männliche Fantasie?) und dann doch sterben muss. Ein Schicksal, das sie mit vielen Bond-Gespielinnen teilt.
Wie verschenkt, denkt man am Ende des Filmes, der durchaus Momente hat, die Spaß machen und die aufblitzen lassen, was er hätte sein können. Schade.
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