Kritik zu Anders essen – Das Experiment
Aktiver Umweltschutz beginnt beim Einzelnen: In ihrem Film zeigen Kurt Langbein und Andrea Ernst, was an unserer Ernährung falsch läuft und wie es gelingen kann, individuelle Essgewohnheiten zu ändern
Nach der Vorstellung fragt man sich unwillkürlich, wie viele dieser Filme es noch geben muss, bis sich endlich etwas ändert. Bis man selbst etwas ändert. Denn Kurt Langbein und Andrea Ernst sind beileibe nicht die Ersten, die darauf hinweisen, dass sich etwas ändern muss, dass wir über unsere Verhältnisse leben und damit verantwortlich sind für die Not anderer. »Anders essen« ist darin gleichzeitig Plädoyer und Experiment, denn hier wird nicht nur überzeugend gezeigt, was schiefläuft, sondern auch was man dagegen tun kann. Mit jeder einzelnen Mahlzeit.
Die Debatte ist brandaktuell. Unsere Art zu essen belastet das Klima. Der CO₂-Ausstoß ist enorm. Will man das visualisieren, brauchen wir ein Feld von 4400 m² für unsere tägliche Ernährung. Bepflanzt mit all den Getreiden, Gemüsen, Früchten, Ölsaaten und Tierfutter, die eine Person verbraucht. Dabei steht uns nur die Hälfte zu, wenn jeder gleich viel Land bekommen sollte. Tatsächlich aber gehen wir noch großzügiger mit den Ressourcen um, denn zwei Drittel der Fläche, die wir nutzen, sind der Futtermittelproduktion vorbehalten und die liegt größtenteils im Ausland. Das heißt, wir importieren mehr als wir selbst herstellen, unsere Rinder stehen eigentlich auf den Feldern der Sojabauern in Brasilien. Würden sich also alle Menschen so ernähren wie wir, bräuchten wir eine zweite Erde.
So bitter das klingt, so undogmatisch wird das im Film deutlich. Ein Agraringenieur erklärt Kindern, was wir da täglich tun, ohne Arroganz und ohne Zwang. Er setzt auf Einsicht und bekommt sie auch. Was diese Kinder mit nach Hause nehmen, geht sie selbst an. Sie sind die Zukunft, von der wir heute schon leben. Denn eines ist klar: Lange kann es so nicht mehr weitergehen. Wenn der Fleischkonsum auf einem derart hohen Niveau bleibt, ist bald kein Regenwald mehr übrig und die CO₂-Belastung steigt ins Unermessliche. Und dabei ist von den Hungerflüchtlingen noch gar keine Rede.
Der Film zeigt nun, was man machen kann. Drei Familien, aus Österreich, Frankreich und Südkorea, wagen sich in den Selbstversuch. Sie beginnen saisonal und regional einzukaufen, reduzieren den Fleischkonsum, essen mehr Rohkost und sprechen über ihre Essgewohnheiten. Sie entdecken das Kochen neu, dadurch entsteht ein neues Gemeinschaftsgefühl. In Korea hat sich eine Kooperative gebildet, die Lebensmittel nach Kriterien von Transport und Herstellung unter die Leute bringt. Das Ergebnis ist überraschend. Wenn man nur wenig verändert in der täglichen Nahrungsaufnahme, verändern sich tatsächlich Landverbrauch und CO₂-Last. Dabei ist es aber nicht so einfach, wie man denkt: »Bioprodukte, die vom anderen Ende der Welt zu uns kommen, machen keinen Sinn«, heißt es im Film, und das Biohuhn, das sich mehr bewegt als das Hybridhuhn, verbraucht eben auch mehr Getreide. Man muss sich einarbeiten in die Lebensmittelherstellung und wissen, wie die Tiefkühlpizza entsteht. Die Bilder aber, die dieser sachliche Film zeigt, reichen, um sich sehr genau zu überlegen, ob man das Fertiggericht wirklich braucht.
Stream (arte bis 20.4.20)
Kommentare
Firma, die vegane Cevapcici produziert
Ich finde den Film hervorragend und möchte gerne wissen, wie der ehemalige Metzger heißt, der jetzt vegane Produkte herstellt. Meine E-Mail-Adresse: raphaela.hellwig@gmail.com
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