Kritik zu American Sniper

© Warner Bros.

Clint Eastwood bringt die Lebensgeschichte des US-Scharfschützen Chris Kyle auf die Leinwand – als Legende eines attraktiv schwermütigen Helden

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2.75
2.8 (Stimmen: 4)

Dass die Legende der Wahrheit vorzuziehen ist, lernen Western-Fans schon mit John Fords Der Mann, der Liberty Valance erschoss. Da nun der mittlerweile 84-jährige Clint Eastwood als eine Art »letzter Mann« in Hollywood die Tugenden und Denkweisen des Western hochhält, muss es vielleicht nicht weiter verwundern, dass sein neuestes Werk, die Verfilmung der Autobiografie des US-Soldaten Chris Kyle, als Western gesehen einen Sinn ergibt, als Kriegsfilm aber eher bedenklich erscheint.

»Legende«, so lautet passenderweise der Spitzname, den der Scharfschütze Chris Kyle von seinen Kriegskameraden zugesprochen bekam. Er bezieht sich auf einen wahren, wenn auch grimmigen Umstand: Mit 160 »bestätigten Tötungen« während seiner vier Einsätze im zweiten Irak-Krieg hält Kyle einen Rekord der US-Militärgeschichte. Seine 2012 erschienenen Memoiren tragen den unbescheidenen Titel »American Sniper: The Autobiography of the Most Lethal Sniper in U.S. Military History«. 2013 wurde der 2009 aus dem Armeedienst Ausgeschiedene von einem anderen Kriegsveteranen auf einem Schießplatz in seiner Heimat Texas erschossen. Es heißt, Kyle habe dem an Posttraumatischer Belastungsstörung leidenden jungen Mann helfen wollen.

Es ist bezeichnend, dass Eastwood und sein Drehbuchautor Jason Dean Hall gerade nicht diesen bizarren Tod Kyles im Alter von erst 38 Jahren zum Ausgangspunkt ihres Biopics nehmen. Er wird im Film nur auf einer Schrifttafel zum Schluss genannt, als unbegriffenes tragisches Ende. Ganz so, als solle jedes Nachdenken darüber, in welchem Bezug dieser Tod zu Kyles Leben stand, vermieden werden. Hier wird die Legende eben nicht hinterfragt, sondern beschrieben. Weshalb American Sniper mit einer Szene beginnt, die Kyle sozusagen auf dem Höhepunkt seiner Karriere zeigt: In Scharfschützenstellung auf einem Dach in einer irakischen Stadt nimmt er eine verschleierte Frau ins Visier. Er meint zu erkennen, dass sie versteckt eine Granate trägt. Seine Vorgesetzten überlassen ihm die Entscheidung: Soll er die Frau und womöglich auch noch den Jungen neben ihr, mithin zwei vielleicht harmlose Zivilisten, erschießen?

Von dieser hoch aufgeladenen Situation aus erzählt American Sniper in Rückblicken Kyles Leben: das Aufwachsen im ruralen Texas mit einem kleinen Bruder an der Seite und einem ernsten Vater, der ihm früh das Schießen beibringt und seinen Söhnen predigt, dass es auf der Welt drei Arten von Menschen gebe: Schafe, Wölfe und Hütehunde. Letztere erklärt er zu Vorbildern. Und so meldet sich der erwachsene Chris nach ein paar erfolglosen Rodeo-Job-Jahren zu den SEALs. Mit dem Selbstbewusstsein, nun zur Elitetruppe zu gehören, gelingt es ihm, eine schöne Frau (Sienna Miller) zu erobern. Dann fallen die Türme des World Trade Centers, und bald darauf zieht Chris in den Krieg, wo er zur besagten »Legende« wird.

Warum American Sniper in den USA zu einem so großen Box-Office-Erfolg wurde, ist schnell erklärt: Mit Eastwood'scher Schnörkellosigkeit gedreht, erzeugt der Film in seinen Häuserkampfszenen sehr effektiv Spannung. Das Mitfühlen mit dem Helden, der schwerer und schwerer an seiner Bürde trägt, fällt leicht, zumal ihn Bradley Cooper (für die Rolle authentisch aufgedunsen) als ursympathischen Mann mit immer den besten Absichten spielt. Seine inneren Qualen beziehen sich nicht auf das, was er getan hat, sondern darauf, nicht genug tun zu können, für sein Land, für seine Kameraden. Und weil der Film den Irakkrieg völlig abstrakt zeigt, als ein Klischee, bei dem die »Gegner« mit wenigen Ausnahmen ohne Gesicht und ganz ohne eigene Anliegen bleiben, vermittelt der Film zumindest dem amerikanischen Publikum ein langersehntes gutes Gefühl zu einem sehr negativ besetzten Thema.

In der von Eastwood und Cooper geformten Interpretation ist Kyle tatsächlich ein Western-Held: einsam, schwermütig, aber letztlich ohne Selbstzweifel. »PTBS?« Da schüttelt er nur den Kopf, einer wie Chris braucht einen Psychologen allenfalls dafür, sich zeigen zu lassen, wie er anderen helfen kann.

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