Kritik zu Alle die Du bist
Das Kind im Mann und andere Phänomene: Michael Fetter Nathansky erzählt von den verschiedenen Ichs, die sich in einer Beziehung begegnen, einerseits mit verspielter Leichtigkeit und andererseits mit großem Tiefgang
Mit ruhiger Entschlossenheit durchmisst eine junge Frau die Gänge eines Firmengebäudes, lässt sich in den Heizungskeller führen, in dem sich ihr Mann eingeschlossen hat. Noch bevor sein Vorstellungsgespräch richtig angefangen hat, ist er ausgerastet, nun soll sie deeskalieren. Nadine (Aenne Schwarz) kennt solche Situationen offensichtlich schon, »mein Mann hat eine kurze Panikattacke, der beruhigt sich gleich wieder«, beschwichtigt sie das Personal. Völlig klar, dass es nicht das erste Mal ist, dass sie in dieser Form intervenieren muss. Behutsam nähert sie sich dem Wesen, das sie mit sanfter Stimme Paul nennt, zu sehen ist der Kopf eines großen, nervös schnaubenden Rindes, dem sie sich furchtlos nähert. Sukzessive gelingt es ihr, Paul zu beruhigen, mit einem Schnitt wird er zum kleinen Jungen, den sie tröstend umfängt, mit dem nächsten zum jungen Mann, der für sich selbst sprechen kann, bis er schließlich, wieder draußen auf dem Gang, zu seiner wohl eigentlichen Gestalt findet, verkörpert vom Schauspieler Carlo Ljubek. Und dann, später draußen im Auto, wird er noch zur älteren Frau mit grauen Haaren.
Michael Fetter Nathansky, unter anderem auch Coautor der gewitzt konstruierten Filmset-Dystopie »The Ordinaries«, spielt auch hier auf raffinierte Weise mit Wahrnehmung und Täuschung. »Alle die du bist« beginnt in der subjektiven Wahrnehmung von Nadine, in der die verschiedenen Gemütszustände ihres Mannes unterschiedliche Gestalt annehmen. In dieser Lesart ist Nadine diejenige, die den labilen Paul erdet, doch was, wenn in Wirklichkeit sie die unzuverlässige Erzählerin wäre? Geht es hier um psychische Krankheit oder nur um emotionale Unsicherheit? Um verschiedene Ichs, die sich in einer Beziehung begegnen, sich zwischen Streit und Versöhnung auseinanderleben oder noch mal zusammenraufen?
Nach der geheimnisvollen Eröffnungsszene taucht der Film via Rückblenden in die Anfänge dieser Beziehung ein. Nadine und Paul haben einen holprigen Start auf der Arbeit in einer Bergbaumaschinenfirma, bei der sie gerade anfängt. Da wirkt sie ruppig und unzugänglich, weit entfernt von der ruhigen Frau in der Krisensituation. Immer wieder werden die Erinnerungen mit der Gegenwart abgeglichen: Früher sei es viel leichter gewesen zu lachen, wirft sie ihm vor. Ja, weil es gereicht habe, dass er auf einer Bananenschale ausrutscht, so doof sei er halt nicht mehr, kontert er. Nein, er sei vorsichtig geworden, beschwert sie sich. Mal sind diese Kabbeleien verspielt und leicht, dann wieder traurig und verzweifelt: Menschen und Beziehungen verändern und entwickeln sich, und leider nicht immer parallel. In ihrem Spiel changieren Schwarz und Ljubek in vielen aufregenden Nuancen von Leichtigkeit und Tiefe, von Glück und Verzweiflung. So wie Nadine wird auch der Zuschauer leicht überfordert, weil Nathansky in dieses komplizierte Geflecht noch eine weitere Ebene einzieht, das Private mit dem Beruflichen verschränkt, dem Arbeitskampf gegen die drohende Abwicklung, in dem sich Nadine stark engagiert, der sie immer wieder an die Grenzen der Belastbarkeit treibt. Doch genauso kompliziert ist ja auch das Leben.
Kommentare
2/5 Sternem
Puh ... wer denkt sich solch lebensferne Dialoge aus? Das ganze ist so abgehoben und abstrakt inszeniert, ich konnte mit dem Film so gar nichts anfangen.
Nein!!!
Ich hab nach 20 Minuten das Kino verlassen. Nee, danke… kein Interesse an so einen skurrilen Psychokram…
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