Kritik zu Aftersun
In ihrem Langfilmdebüt entfaltet Charlotte Wells mit feinstem Fingerspitzengefühl das Porträt einer Vater-Tochter-Beziehung, das in aller Beiläufigkeit tief berührt
Zu den Widersprüchen der Eltern-Kind-Beziehung gehört, dass die größte Intimität nicht damit einhergeht, dass man sich wirklich gut kennt. Als Kind kann man mit den verborgensten Ticks des Vaters vertraut sein, dem schrägen Kopfnicken, dem Tropfen an der Nase, ohne je zu begreifen, was wirklich in ihm vor sich ging, während man mit ihm am Frühstückstisch saß. Von dieser im Nachhinein schmerzlichen Diskrepanz handelt Charlotte Wells' Langfilmdebüt »Aftersun«. Der Film erzählt davon mit allergrößter Beiläufigkeit – und lässt den Zuschauer am Ende tief betroffen zurück.
Noch ein bisschen kunstfertig wirkt der Anfang, an den Wells nachempfundene Aufnahmen einer Digitalkamera aus den 90ern stellt. In flacher Video-Optik steht Paul Mescal als Calum im Gegenlicht und wird von seiner aus dem Off zu hörenden Tochter Sophie (Frankie Corio) befragt. Sie feiert ihren 11. Geburtstag und will von ihm wissen, was er mit elf über sein zukünftiges Ich gedacht habe. Die Art und Weise, mit der er einer Antwort ausweicht, lässt auf vieles schließen. Vor allem darauf, dass die erwachsene Tochter sich heute noch Gedanken darüber macht, was er wohl wirklich hätte antworten wollen.
Die Digitalkamera spielt immer wieder eine Rolle im Weiteren; sie markiert die verschiedenen Zeitebenen des Films, in dessen Rahmenhaltung eine Tochter an die Zeit mit ihrem Vater zurückdenkt. Dass es kurze Einblendungen von ihr als Erwachsener gibt, aber keine vom Vater als älterem Menschen, stellt die Suggestion eines Verlusts in den Raum. Hat sie ihn seither nicht mehr gesehen?
Was sie hier erinnert, ist ein gemeinsamer Urlaub in einem Resort an der türkischen Küste. Es ist alles nicht sonderlich luxuriös, aber auch nicht schäbig. Die Tage vergehen ereignislos, sieht man von ein paar Begegnungen mit anderen Touristen ab. Tagsüber ist da der Strand, ein kleiner Amüsierpark mit Fahrgeschäften, ein Billardtisch, wo Sophie überraschende Anerkennung von einer Gruppe britischer Jugendlicher erfährt. Abends isst man im Restaurant, kann später ein bisschen in der Disco zu trashigem Pop tanzen oder beim Karaoke mitmachen. Wie gesagt, alles nichts Besonderes. Aber in fein beobachteten Details und dem charismatischen Schauspiel sowohl von Mescal wie auch von Corio entfaltet Wells daraus das nuancierte Porträt einer Vater-Tochter-Beziehung. Nicht nur dass sie perfekt das natürliche Ungeschick der beiden im Miteinander einfängt, das eben nicht aus innigen Gesprächen und Liebesbeteuerungen besteht, sondern aus der Selbstverständlichkeit, mit der sie schweigend miteinander Zeit verbringen. Ein paar Andeutungen lassen auf die weiteren Lebensumstände schließen, etwa dass Calum und Sophies Mutter schon länger getrennt leben. Und dann sind da noch die kurzen Szenen, mal aus dem Blick der kleinen Tochter, mal aus der implizierten Perspektive der Erwachsenen, die zeigen, dass Calum ein Unglücklichsein mit sich herumschleppt, das er der Tochter nicht zeigen konnte – oder wollte?
Kommentare
Aftersun Filmkritik
Es zeigt sich bald eindeutig die Belanglosigkeit dieses Filmes.
Die unverstellt kindliche Art der Tochter bleibt vom Vater unerkannt. Ihren Witz, Charme und Gestaltung, moechte Dieser keine Aufmerksamkeit zukommen lassen und will ihr nicht begegnen.
Derartige anwesende Abwesenheit beweisst vermutlich individuelle Unklarheiten? Dramatisch- finster darin ist, dass er keine wesentliche Beziehung zur Tochter pflegt.
Ist das Drehbuch vielleicht aehnlich unklar und unmotiviert?
Grusel- grusel, Mitmensch heile Deine Unaufrichtigkeit. Denn dann erst kann Mitmensch die friedliche Schoenheit des eigenen Lebens erkennen.
c.s.
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