Kritik zu 32A
Ins Deutsche übersetzt müsste der Titel eigentlich »75 A« lauten: Der erste Büstenhalter wird zum Symbol für die weibliche Rolle in Marian Quinns sensibel beobachteter irischer Coming-of-Age-Komödie
Die 13-jährige Maeve geht auf eine katholische Mädchenschule in Dublin. Das große Thema, das im Kreis ihrer drei besten Freundinnen vor dem Morgenappell stichpunktartig abgehandelt wird, ist ihr erster BH. Den hat sie gerade in einem der örtlichen Miederwarenläden gekauft. Eine schwierige Prozedur, bei der ältliche Damen mit groben Händen und eiskaltem Maßband die Körbchengröße bestimmen. Ins metrische System übersetzt, entspricht das titelgebende Maß »32 A« in etwa der kontinentalen Größe 75A. In den Worten einer neidischen Mitschülerin sehen die leichten Wölbungen auf Maeves Bluse damit also aus »wie Spiegeleier«.
Das Tragen dieses bedeutungsvollen Wäschestücks, das nicht nur den Körper, sondern auch die Persönlichkeit formt, ist Teil einer Initiation in die weibliche Welt. Davon erzählt die Schauspielerin Marian Quinn in ihrem Regiedebüt, eine stimmungsvolle, locker inszenierte Teenagerkomödie. Als Einzige in ihrer Clique hat Maeve noch keine Erfahrung mit Jungs, doch der erste Freund folgt auf den ersten BH. Maeve soll ihren älteren Bruder von einer wilden Party heimholen, wo der lokale Mädchenschwarm mit dem unwiderstehlichen Namen Brian Power zart mit ihr anbandelt. Ihre beste Freundin Ruth wird daraufhin ziemlich stutenbissig.
Mit einer kleinen Geschichte, die in der bloßen Nacherzählung nach nichts klingt, erzählt Marian Quinn, die auch das Buch schrieb, ein ganz alltägliches Drama. Maeve verkracht sich mit ihrer besten Freundin, weil sie nicht wie versprochen zu einem Treffen mitkommt, auf dem Ruth ihren Vater kennenlernen will. Lieber geht Maeve mit ihrem Brian in die angesagte Disko namens Grove, wo man sich nicht unterhalten kann, weil die Musik so laut ist. Als sie infolge ihres ersten Joints ins Waschbecken kotzt, derweil ihr zwei Jahre älterer Freund sich einer anderen zuwendet, durchlebt Maeve einen gefühlten Weltuntergang.
Mit liebevollen Detailbeobachtungen und pointierten Dialogen beleuchtet die Regisseurin ein diffuses psychologisches Niemandsland: Zwischen dem ersten Freund und dem ersten Sex – der in Gestalt eines »Flashers«, eines Exhibitionisten, vage am emotionalen Horizont erscheint – gibt es komplizierte versteckte Codes und emotionale Fallstricke, für die Marian Quinn ebenso subtile wie komische Bilder findet. Wenn die Girlies über die Bedeutung eines Bidets rätseln, so situiert Marian Quinn ihren Film damit nicht nur geschickt in den Siebzigern. Die Mutmaßungen über die vermeintliche Funktion dieser Keramiken, die damals in Mode kamen, spiegeln subtil einen Gemütszustand, in dem man die Freunde noch täglich wechselt, auch wenn es manchmal wehtut. Ein geschmackvoller Brit-Pop-Soundtrack nimmt den melancholischen Szenen die Schwere, ohne die Bilder zum Videoclip auszudünnen. Ganz selbstverständlich taucht Marian Quinn so in die Welt ihrer weiblichen Teenager-Protagonisten ein, von denen die zartgliedrige Alish McCarthy in ihrer Debütrolle am meisten überzeugt. Am Ende hat man schließlich eine etwas konkretere Vorstellung von der Redewendung »Busenfreundin«.
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