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27.12.2024
Laura Tonke, 50, geboren in Westberlin, ist Schauspielerin. 2003 war sie für ihre Rolle der Gudrun Ensslin in »Baader« für den Deutschen Filmpreis nominiert, den sie schließlich 2016 für »Hedi Schneider steckt fest« gewann. Zuletzt war sie in der Serie »Sexuell verfügbar« und den Filmen »Alles Fifty Fifty« sowie »Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war« zu sehen. Ihr neuer Film »Feste & Freunde« (Regie: David Dietl) startet am 2. Januar.
Freud – Jenseits des Glaubens
Der Film berührt einen irgendwie – das ist zuzugeben – aber wieso eigentlich? Bestimmt nicht wegen des Titels. Das Religions- oder Glaubensgespräch zwischen Sigmund Freud und C.S. Lewis – geführt im Jahre 1939 in England – kann nicht wirklich überzeugen. Dies nicht aufgrund seiner Fiktionalität bzw. weil ein solches Gespräch historisch nicht belegt ist. Schließlich wäre es ja tatsächlich interessant, ein derartiges Gespräch einmal anzunehmen und entsprechend zu verfilmen. Dann aber dürfte es sich nicht nur in allgemeinster Weise mit Religion beschäftigen, sondern hätte die damaligen Ansichten Freud`s und den Diskurs darum konkret zum Inhalt nehmen müssen.
Das beträfe z.B. seine Gedanken über die Wurzeln des Antisemitismus, welche er in einer schon länger in Arbeit befindlichen Studie über Moses entwickelte, übrigens die letzte veröffentlchte Schrift von ihm. Im Grunde sah er in Moses den Begründer des Monotheismus und damit letztlich auch des Christentums, weswegen Sigmund Freud im Hass auf Juden wie auf Christen einen inneren Zusammenhang zu entdecken glaubte. Dies besonders bei spät (oft mit Gewalt) christianisierten Völkerschaften. Und obwohl er persönlich keineswegs ein gläubiger Jude war, sprang er dem eigenen, gnadenlos verfolgten jüdischen Volk mit dieser Ausarbeitung – wenn auch auf seine Art – mutig zur Seite.
Der Film blendet die betreffende Thematik allerdings weitgehend aus, dafür aber behandelt er die Problematik des Todes – und zwar eindringlich. Sowohl der Literaturwissenschafftler und Gottesapologet Lewis als auch Freud sind von einem Todestrauma betroffen. Ersterer landete als Soldat während der Schlammschlachten des Ersten Weltkriegs lebendig in einem Massengrab, Letzterer befindet sich zum Zeitpunkt der Film-Handlung als ein vom Kieferkrebs im höchsten Stadium Gezeichneter so gut wie am Ende.
“Und vor dem Tod sind wir alle Feiglinge”, sagt Freud an einer Stelle. “Jenseits des Lebens” – hätte darum m.E. als Titel besser gepasst. Sowohl für den Atheisten Freud als auch den Theisten Lewis bleibt der Tod letztlich ein Mysterium – das wiederum verbindet die zwei Gesprächspartner, lässt ihren Dialog auf Augenhöhe stattfinden.
Lewis erscheint dabei eher als ein ausgeglichener, in sich ruhender Mensch, in seiner Ausstrahlung gar souveräner als Freud, indes altersmäßig auch wesentlich jünger. Der aus Wien geflüchtete alte Mann andererseits ist schlagfertiger, theoretisch fundierter, aber eben auch vielfach genervt – von den Schmerzen natürlich, von den Bedingungen des Exils in London, doch scheinbar ebenfalls von dem lesbischen Verhältnis seiner Tochter Anna mit deren Analyse-Kollegin und Pädagogin Dorothy Tiffany Burlingham.
Menschlich sehr berührend ist die Hilfe, mit welcher Lewis Freud in dessen Wohnung vorbehaltlos entgegenkommt, keinerlei Ekel zeigt, wo selbst der Hund vor dem Gestank, der von dem Krebskranken ausgeht, zurückweicht. Indes ein Wort hätte dazu durchaus gesagt werden sollen, z.B. von Freud selbst. Der spricht zwar davon, dass sein “Jofi” ihn nicht mehr riechen kann, aber wie Lewis mit dem üblen Geruch fertig wird, bleibt unausgesprochen, selbst dann, wenn der dem Patienten mit all seiner Kraft die Schmerzen verursachende Prothese mit bloßen Händen aus dem Mund entfernen muss.
Ganz am Schluss hat Anna dann einen gemeinsamen und vereinten Auftritt mit ihrer Freundin vor den Augen des in seinem Sessel erschöpft daniederliegenden Vaters, wobei man als Zuschauer gerne wüsste, was der überhaupt dagegen hatte, dass beide ein Paar sind; wo er doch Homosexualität keineswegs als etwas ansah, wofür man sich schämen muss. Offenbar, das deutet der Film an, war eine obsessive Eifersucht im Spiel gewesen, die Tochter ganz alleine haben zu wollen – für sich. Dass Anna ihn ihrerseits liebte und verehrte, tritt aber mindestens genauso erkennbar zu Tage.
Letztenendes, um ein Fazit zu ziehen, kann sich so ganz nicht erschließen, was der Film eigentlich bewirken will. Und sofern er überhaupt einen Anspruch in dieser Hinsicht hat, könnte er im besten Fall an eine nähere Beschäftigung mit Sigmund Freud heranführen, auch an die Entwicklung der Psychoanalyse nach ihm bzw. ihre kritische “Modernisierung” bis in heutige Tage. Wahrscheinlich aber werden nur einige Freud-Zitate in Erinnerung bleiben, was – alles in allem – aber auch nicht wenig ist. Man denke an: “Ich finde das, was mir die Leute erzählen, viel weniger interessant als das, was sie mir lieber nicht sagen wollen.” Oder: “Von Fehler zu Fehler entdeckt man die ganze Wahrheit.”