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27.12.2024
Laura Tonke, 50, geboren in Westberlin, ist Schauspielerin. 2003 war sie für ihre Rolle der Gudrun Ensslin in »Baader« für den Deutschen Filmpreis nominiert, den sie schließlich 2016 für »Hedi Schneider steckt fest« gewann. Zuletzt war sie in der Serie »Sexuell verfügbar« und den Filmen »Alles Fifty Fifty« sowie »Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war« zu sehen. Ihr neuer Film »Feste & Freunde« (Regie: David Dietl) startet am 2. Januar.
Falsche Erwartungen
Zu den Kritikern des Films:
1. Das Ziel des Films ist nicht eine Biografie des ganzen Lebens der Lee Miller. Die Beschränkung auf ihre Kriegsreporterin-Jahre ist legitim, erstens, weil ein komplettes Biopic in der zur Verfügung stehenden Zeit eines Kinofilms zwangsweise noch viel oberflächlicher hätte ausfallen müssen. Zweitens, weil dieser Lebensabschnitt mit einem völligen Bruch in Millers Leben begann - wie übrigens im Leben der meisten Menschen in Europa (dessen Radikalität für alle Aspekte des täglichen Lebens viele Jüngere scheinbar nicht mehr wirklich nachvollziehen können).
2. Der Vorwurf, der Film sei zu konventionell, langweilig und unspektakulär ist für mich nur nachvollziehbar, wenn man an diesen Film die Maßstäbe heutiger Action- und (Pseudo-)Kriegsfilme anlegt. Hollywood-Explosionen mit riesigen Feuerbällen und durch die Luft fliegenden Leichen sind Übertreibungen. Die Explosionen und Schussszenen im Film sind für die damalige Kriegstechnik sehr realistisch. Und wer glaubt, in Kriegen wäre das Leben ständig atemlos hektisch, hat noch nie einen erlebt. Ende des Zweiten Weltkriegs und die Monate danach (die Zeit, die im Film dargestellt wird) waren die Menschen auf beiden Seiten zutiefst erschöpft, ausgelaugt und auf Seiten Deutschlands auch noch halb verhungert. Gerade die für heutige Filme schleppende Darstellung des Lebens ist daher eine realistische.
Was wirklich zu kritisieren ist:
1. Winslet ist nicht die optimale Besetzung. Aber auch keine schlechte und zumindest für die zweite Hälfte des Films, in dem sie eine von den Kriegserfahrungen gezeichnete Miller darstellt, sogar eine adäquate Besetzung. Miller war zu Kriegsende zwar erst 38 Jahre alt, aber gezeichnet vom Frontleben. Man sehe sich die Fotos der realen Miller aus der Zeit an! Sie gleichen der Film-Miller sehr gut.
2. Auch die Beziehung zu ihrem Sohn kam mir unnötig verschlüsselt, aufgesetzt und nicht wirklich nachvollziehbar vor. Das haben andere Filme besser gemeistert, z. B. "Under The Wire".
3. Mir fehlen tatsächlich Rückbezüge zu ihrem Vorkriegsleben, die es natürlich gab. U. a. die Bildästhetik durch den Einfluss Man Rays. Allerdings emanzipierte sich Miller in den Kriegsjahren von diesem Einfluss deutlich. Diese künstlerische Entwicklung im Film zu vermitteln hätte bedeutet, andere Aspekte wegzulassen oder zumindest noch oberflächlicher zu behandeln.
Alles in allem finde ich (als Historiker UND Cineast) den Film sehr gut und empfehlenswert - gerade wegen der konventionellen, unspektakulären und realistischen Umsetzung.