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»Small Axe: Mangrove« (2020). © BBC

»Small Axe: Mangrove« (2020). © BBC

Musik und Engagement

Mit seiner ambitionierten Filmanthologie »Small Axe« strebt der britische Regisseur Steve McQueen die Erzählung einer »Geschichte von unten« des Vereinigten Königreichs von den 60ern bis in die 80er Jahre an. Fünf Filme, die sich in Länge, Stil und Stimmung unterscheiden, sich aber alle mit schwarzer britischer Kultur auseinandersetzen, hat der für »12 Years A Slave« mit dem Oscar ausgezeichnete Filmemacher für die BBC inszeniert. Zwar bereits von langer Hand geplant, erreicht die TV-Filmreihe doch nun genau zum richtigen Zeitpunkt die Fernsehschirme der Welt: Im Nachklang der friedlichen Black-Lives-Matter-Proteste des Sommers erscheint eine Sichtbarmachung postkolonialer Geschichte aus der Perspektive der schwarzen Diaspora besonders drängend. Unweigerlich behandelt »Small Axe« dabei Erfahrungen von Gewalt, systemischem Rassismus und Unterdrückung; gleichzeitig aber fungieren die Episoden auch als Würdigung des afrobritischen Alltags in Form von Musik, Sprache und politischen Engagements.

Jeder der fünf Filme beschäftigt sich mit einer historischen Begebenheit schwarzer britischer Geschichte oder ist zumindest von realen Erfahrungen beeinflusst. Der Historiker David Olusgoa verglich »Small Axe« darum bereits mit Edgar Reitz' Serie »Heimat«, folgt McQueen doch einem ähnlich epischen Gestus und verbindet alltägliche Erfahrungen mit dem großen Ganzen. So beleuchtet der erste Teil mit dem Titel »Mangrove« etwa den bemerkenswerten Prozess der sogenannten Mangrove-Neun im Jahr 1970. Dabei handelte es sich um neun schwarze Aktivist:innen, die nach einem Protestmarsch gegen die ständigen, rassistisch motivierten Polizeikontrollen des Restaurants und kulturellen Treffpunkts Mangrove im Londoner Stadtteil Notting Hill der Anstiftung zum Aufruhr angeklagt wurden. Die Episode zeichnet mit großer Liebe zum Detail die historische Atmosphäre nach und funktioniert sowohl als spannender Gerichtsthriller als auch als Chronik schwarzen Widerstandes. Zudem besetzt McQueen seinen Cast bis in die Nebenrollen mit grandiosen Charakterschauspielern.

Der Beitrag »Red, White and Blue« erzählt die Geschichte des schwarzen Polizisten Leroy Logan, dessen Hoffnung, die Londoner Polizei von innen zu verändern, an den restriktiven Strukturen der Institution scheitert.

Gespielt wird Logan von dem als »Star Wars«-Helden bekannten John Boyega, der zur Zeit des Filmdrehs selbst zur wichtigen Figur der antirassistischen Protestbewegung wurde: Seine emotionale Rede im Rahmen der Londoner »Black Lives Matter«-Demo fand im Sommer große Beachtung.

Etwas persönlicher wird es in der Episode »Lovers Rock«: Diese basiert auf den Erfahrungen von McQueens Tante, spielt beinahe gänzlich auf einer Reggaehausparty im Jahr 1980 und erweist sich als emotionale Liebeserklärung an die Soundsystemkultur. Trotz dieser inhaltlichen Vielfalt erweist sich »Small Axe« als stimmiges, ernüchterndes, aber auch hoffnungsvolles Kompendium, das von seiner politischen Brisanz ebenso lebt wie von McQueens Talent als Geschichtenerzähler.

OV-Trailer

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