arte-Mediathek: »Rematch«

»Rematch« (Miniserie, 2023). © Drowster / Leo Pinter

© Drowster / Leo Pinter

Der Maschine erster Sieg

Er gilt als bester Schachspieler aller Zeiten. Tragischerweise war er auch der erste Großmeister, der gegen eine Maschine verlor – unter offiziellen Turnierbedingungen. Was für eine Steilvorlage für eine Serie, in der sich die vielfältigen Aspekte dieses historischen Ereignisses auffächern lassen! Leider aber entwickelt sich der Sechsteiler »Rematch« bald zu einer nur gelegentlich interessanten Hängepartie. Doch der Reihe nach.

Filme über die 64 schwarzen und weißen Felder sind populär. Unlängst sorgte die Netflix-Serie »Das Damengambit« weltweit für Begeisterung. So ziemlich alles, was in Scott Franks Miniserie überzeugt, verwässert der Kanadier Yan England in »Rematch«. Bereits die Besetzung der Hauptrolle mit dem für diesen Part zu glatt anmutenden Briten Christian Cooke ist ein wenig unglücklich. Mit Garri Kasparow verkörpert Cooke nicht irgendeinen Schachspieler, sondern Genialität plus geballte Historie. Zur Zeit des Kalten Krieges nämlich galt die Souveränität im königlichen Spiel auch als Suprematie des sowjetischen Systems über den Kapitalismus. Kasparows legendärer Sieg über den systemkonformen Anatoli Karpow im Jahr 1986 machte den damals 21-Jährigen nicht nur zum jüngsten Weltmeister aller Zeiten. Dem Außenseiter gelang ein symbolisch kaum zu überschätzender Sieg des Individualismus über die Deutungshoheit jenes sozialistischen Kollektivs, das vom stromlinienförmigen Karpow verkörpert wurde.

Dieses Thema streift die Serie, jedoch ohne dass die Hauptfigur dabei an Profil gewänne. Für Zuschauer, die nicht wissen, warum Kasparow exzessiv Leibesübungen betrieb und welchen Vorteil sie ihm am Schachbrett brachten, bleibt es rätselhaft, warum der Schachspieler in dieser Serie permanent joggt und Liegestützen ausführt. Nicht wirklich zu überzeugen vermögen vor allem seine Partien gegen den Computer Deep Blue. Dessen Konstrukteur, der taiwanesisch-amerikanische Informatiker Feng-hsiung Hsu, wird von Orion Lee als x-beliebiger Computernerd verkörpert.

Yan England und Co-Autor André Gulluni mangelt es an Ideen, um den epochalen Brückenschlag zwischen Schach und künstlicher Intelligenz so zu visualisieren, dass man bei der Auseinandersetzung zwischen Mensch und Maschine mitfiebert. Dieses Defizit war den Machern zweifellos bewusst, weshalb sie den dramatischen Fokus wohlweislich verschoben haben. So kämpft Kasparow hier nicht wirklich gegen den Computer, sondern mehr gegen die maliziöse IBM-Managerin Helen Brock (Sarah Bolger). Die skrupellose Karrieristin will den Ruhm des Deep-Blue-Konstrukteurs selbst einheimsen – und setzt daher alles daran, Weltmeister Kasparow mit unfairen Mitteln zu besiegen. Liiert ist Helen mit einem Mann, der keine Gelegenheit auslässt, seine Partnerin mit moralischer Inbrunst dafür zu maßregeln, dass sie ihr kleines Kind vernachlässigt. Dank solcher Themenrochaden auf Nebenschauplätze plätschert die Serie leider oft nur so vor sich hin.

OV-Trailer

Meinung zum Thema

Kommentare

Meines Wissens war Kasparow im Jahr seiner Tittel-Eroberung (1986) 23 Jahre alt und nicht 21.

Kasparov war nicht der erste Großmeister (offizieller Titel), der gegen einen Computer verlor. In einer langen Wettkampfpartie verlor schon 1989 Bent Larsen. Kasparov war der erste Weltmeister, der verlor. Die Serie schildert vor allem die erste Niederlage in einem Match. Zudem wurde Kasparow nicht 1986 Weltmeister, sondern schon 1985. Und das nicht mit 21, sondern mit 22. Ansonsten danke für die gute Kritik!

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