Kritik zu Beckenrand Sheriff
Bayerische Kleinbürgerlichkeit trifft auf Flüchtlingsproblematik und Gentrifizierung: Marcus H. Rosenmüllers neueste Komödie überdreht auf ganzer Linie
Die große Kunst von Komödien ist es, witzig und geistreich zu sein, ohne zur schlichten Klamotte zu geraten. Die hohe Schule ist es dann, mit rebellischem Witz herrschende Gesellschaftsnormen zu kritisieren. Nicht erst seit Ken Loach und Stephen Frears haben derartige Sozialkomödien in Großbritannien Tradition, und auch aus Frankreich kommen seit einigen Jahren anspruchsvolle Filme dieser Art. Deutschland tut sich bekanntlich etwas schwer mit subtilem Humor. Marcus H. Rosenmüller, bekannt für Komödien wie »Wer früher stirbt, ist länger tot«. »Sommer in Orange« oder auch »Wer's glaubt, wird selig« – stets mit bayerischem Lokalkolorit –, versucht es dennoch mit seinem neuesten Film »Beckenrand Sheriff« und will ein bisschen viel.
Zunächst starten die knapp zwei Stunden wie eine harmlose Komödie: Da ist der kleinkarierte Schwimmmeister Karl Kruse (Milan Peschel), der in dem überwiegend verwaisten Freibad akkurat auf die Position der Liegen achtet, das Kraulen auch dann verbietet, wenn nur eine einzige Schwimmerin im Becken ist, und penibel genau um neun Uhr die Pforten öffnet. Es gibt die gestrenge Wasserballtrainerin (Johanna Wokalek) eines talentfreien Herrenteams, den raffgierigen Baulöwen Albert Dengler (Sebastian Bezzel), der sich noch dazu als schlechter Vater entpuppt, und eine freundliche, aber machtbewusste Bürgermeisterin (Gisela Schneeberger). Wenig später taucht der afrikanische Flüchtling Sali (Dimitri Abold) auf, der nach einem Missgeschick seinen Job auf einer Baustelle von Baulöwen Dengler verliert und ausgerechnet bei Schwimmmeister Kruse anheuert. Dafür allerdings muss er erst Schwimmen lernen. Und da kommt Denglers Tochter Lisa (Sarah Mahita) ins Spiel, die nach einem vermeintlichen Dopingfall ihre große Schwimmkarriere nicht ganz freiwillig an den Nagel gehängt hat und nun heimlich trainiert und dabei auf Sali trifft.
So viel zum Personal der Komödie, das im Grunde schon ausreichend Konfliktpotenzial bietet, dann aber droht die für jede Komödie notwendige Ausnahmesituation: Das unrentable Freibad soll von Dengler gebauten Townhouses weichen. Karl Kruse droht nicht nur der Verlust des Arbeitsplatzes, sondern auch seines Zuhauses, seiner Heimat – und nicht nur ihm.
Durchaus liebevoll überdreht entwerfen Rosenmüller und Drehbuchautor Marcus Pfeiffer diese bayerische Kleinstadtidylle und setzen dabei optisch auf reichlich Retrocharme, komödiantisch auf reinen Klamauk, den sie noch dazu mit Culture-Clash-Elementen zwischen afrikanischer Lässigkeit und bayerischer Spießigkeit zu garnieren versuchen. Thematisch überheben sie sich dabei. Völlig deplatziert etwa lassen sie Sali bei seinen Schwimmversuchen immer wieder in Flashbacks seine traumatisierende Flucht über das Mittelmeer erleben. Die geplante Abschiebung gerät zum Spießrutenlauf à la Laurel & Hardy, die Allegorie von Heimatverlust ist allzu platt, ebenso die demonstrativen Fingerzeige auf das hohe Gut Freundschaft, Solidarität und Gemeinschaft.
Kommentare
Lokalkolorit?
... nur in homöopathischen Spuren. Schade, dass auch Rosenmüller zunehmend "verpreußt".
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