Nachruf: William Hurt
William Hurt
Schauspieler, 20.3.1950–13.3.2022
Als ich berühmt geworden war und eine Straße langlief, hörte ich plötzlich ›Hey Bill!‹«, erzählte William Hurt 2002 in einem TV-Interview. Er habe automatisch den Kopf gedreht, und der Rufer habe einer Begleitung triumphierend gesagt: »Siehst du, er ist es!«, und sei einfach weitergegangen. Die Gekränktheit darüber, dass ein dahergelaufener Wicht sich das Recht herausnimmt, ihn von der Seite anzuhauen, war Hurt deutlich anzumerken. Und es ist wohl diese durchscheinende Verwundbarkeit eines »Kriegers ohne Rüstung«, die seinen bis heute anhaltenden Nimbus begründete, obwohl seine Glanzzeit sich auf ein Jahrzehnt beschränkte.
Ab Beginn der Achtziger stieg der aus Washington D.C. stammende Theaterschauspieler mit einer Handvoll anregender Filme, in denen wie unter einem Brennglas kulturelle Phänomene kenntlich gemacht wurden, zum Liebling des anspruchsvollen Publikums auf. Sein größter Förderer war Regisseur Lawrence Kasdan, mit dem er fünf Filme drehte. Der beste ist die stilbildende Tragikomödie »Der große Frust« (1983), in der Hurt mit Kevin Kline und Glenn Close zu einer ehemaligen Studentenclique gehört, die mit einem Freund, der sich umgebracht hat, auch ihre progressiven Ideale begräbt. In James L. Brooks’ Komödie »Nachrichtenfieber« (1987) spielt er einen kaltblütigen TV-Moderator, dessen gutes Aussehen sein einziges Talent ist: ein Blick in die Zukunft des Nachrichtenbusiness als Showbusiness. Zu den besten Filmen des Jahrzehnts zählt die Romanverfilmung Kuss der Spinnenfrau (1985), in der er als schwuler Sträfling seinen Zellengenossen aushorchen soll und sich in ihn verliebt. Das ebenso provozierende wie bewegende Drama verschaffte ihm einen Oscar und so viel Ruhm, dass er sich nie mehr davon erholte.
Kaum ein Hollywoodstar konnte so beredt Zeugnis von den mentalen Fallstricken seines Berufs ablegen wie er, der vor seiner Schauspielerlaufbahn Theologie studiert hatte. Groß, blond, blauäugig, verbarg seine Erscheinung eines leading man einen Charaktermimen. Diese irritierende Wirkung machte ihn zum »Sexsymbol der denkenden Frau«. Mit Geheimratsecken und Brille entwickelte er schon in seinem ersten Kinofilm, Ken Russells psychedelischem Thriller »Höllenritt« (1980), seine Paraderolle eines feinnervigen Intellektuellen mit faszinierenden Abgründen. Seine Mischung aus viriler Attraktivität und Weltschmerz sicherte Hurt zugleich die Sympathien männlicher Zuschauer. Denn dieser romantische moderne Held kriegte alle: Kathleen Turner in »Heißblütig – Kaltblütig«, Geena Davis in »Die Reisen des Mr. Leary« und, in »Kuss der Spinnenfrau«, auch seinen Hetero-Schwarm. Und ab den Neunzigern, als Hurt nach Europa ging und zum Maskottchen von Autorenfilmern wie Wim Wenders (»Bis ans Ende der Welt«) wurde, auch Catherine Deneuve (»Dem Paradies ganz nah«), Juliette Binoche (»Eine Couch in New York«), Isabella Rossellini in (»Late Bloomers«). Er lebte einige Jahre mit Sandrine Bonnaire zusammen und zeugte mit ihr ein Kind, bevor er in die Staaten zurückkehrte.
»Ich fühle mich wohl, wenn ich Arbeit habe, die mich atmen lässt. Aber ich betrachte keinen Flecken Erde als mein Zuhause«, hat er gesagt: Im Grunde ist es erstaunlich, wie mühelos der auch privat anstrengende Star, berüchtigt für Alkoholabstürze und Gewalt gegen seine Ex-Partnerin Marlee Matlin, zwischen Kulturen und Filmgenres wechselte. Für seinen Miniauftritt als Gangster in David Cronenbergs Film noir »A History of Violence« bekam er die letzte von vier Oscarnominierungen. Als Außenminister Ross in den »Avengers«-Spektakeln fand er Anschluss ans junge Publikum. Zu seinen schönsten Filmen aber zählen Arthouse-Dramen wie »Smoke« nach Paul Auster und »Das gelbe Segel«, in dem er als Ex-Sträfling in typisch verhaltener Mimik zwischen Stärke und Selbstmitleid sein schauspielerisches Credo beglaubigt: Leidenschaft und Mut zur Verletzlichkeit, zum Leiden.
Kommentare
Euer Ehren
Die Musik war stellenweiße so laut , das wir nichts verstanden haben und die Frisur und Farbe von Sebastian Koch war nicht stimmig !
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