Und noch einer: »Solo: A Star Wars Story«
Die Legende erzählt, dass genau hier, an der Croisette von Cannes, das Phänomen »Star Wars« geboren wurde. Ein junger George Lucas war im Mai 1971 mit seinem Spielfilmdebüt »THX 11 38« in die Nebenreihe der Quinzaine des Réalisateurs eingeladen und nutzte die Gelegenheit, um für seine nächste Ideen Produzenten zu finden. Der damals im Hotel Carlton getätigten Deal mit United Artists sollte sich zwar später wieder zerschlagen, aber für Lucas war es der Moment, an dem seine »Weltall-Oper« abzuheben begann. Nun feierte nach»Die Rache der Sith« 2005 erneut ein »Star Wars«-Film seine Premiere in Cannes, um für 24 Stunden mit verkleideten »imperialen Sturmtruppen« und Chewbaccas alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Und, mindestens genauso wichtig, um mit Stars wie Regisseur Ron Howard und den Schauspielern Woody Harrelson, Emilia Clarke, Donald Glover und Paul Bettany das in diesem Jahr an bekannten Namen etwas arme Festival mit einer glamourösen Roten Teppich-Aktion anzureichern.
Der Deal beruht auf Gegenseitigkeit: Auch »Solo: A Star Wars Story« verspricht sich von der Cannes-Premiere den dringend benötigten Anschub für den weltweiten Kinostart in der nächsten Woche. Zählt der neueste Beitrag zum »Star Wars«-Universum doch zu den weniger heiß erwarteten Blockbustern der Sommersaison. Zum einen wegen der etwas unglücklichen Produktionsgeschichte – die ursprünglich eingesetzten, aber relativ unerfahrenen Regisseure Phil Lord und Christopher Miller waren inmitten der Dreharbeiten durch Veteran Ron Howard ersetzt worden –, zum anderen weil es sich hier lediglich um ein »Spin-off« am Rand der großen Sternekrieger-Saga handelt. Und obwohl Han Solo in der Verkörperung von Harrison Ford zu den »Star Wars«-Figuren gehört, ohne die die nun über vier Jahrzehnte fortdauernde Popularität nicht vorstellbar wäre, gab es doch keine echte Notwendigkeit für eine »Origin Story«, eine Herkunftslegende des Weltraum-Cowboys. Als charmanter Draufgänger war er stets genug. Welchen Beruf sein Vater hatte, wo er aufgewachsen ist und woher sein Name kommt – all das waren keine Fragen, die die Fans in den letzten drei Jahrzehnten groß beschäftigt hätten.
Trotzdem werden sie alle beantwortet im neuen Film, mehr oder weniger befriedigend, einschließlich natürlich der Geschichte jener großen Freundschaft, die Han Solo mit seinem großen Wuscheltier Chewbacca verbindet. Auch wenn nichts daran wirklich überrascht, gehört der Wookie zu den Highlights des neuen Films. Nach den etwas lauwarmen Reaktionen in Cannes zu urteilen, lautet das erste Fazit denn auch: gut genug, aber kein Hauptgewinn.
Anders als befürchtet schlägt sich Alden Ehrenreich wacker in der undankbaren Aufgabe, die jüngere Version eines ikonographischen Schauspielauftritts geben zu müssen. Sein Han Solo ist unschuldiger und gutmütiger als Harrison Fords Variante, dafür eben auch etwas langweiliger. Emilia Clarke als sein romantisches Gegenüber kann ihre »Drachen-Mutter«-Aura aus »Game of Thrones« kaum entfalten, weil ihre Figur ganz besonders vom Prequel-Sparzwang betroffen ist: Um Stoff für spätere Sequels zu lassen, wird möglichst wenig definiert und erzählt. Die interessanteren Gestalten in »Solo: A Star Wars Story« sind Woody Harrelsons Freibeuter Tobias Beckett und Donald Glover als Lando Calrissian, der erste spielt mit überraschender Zurückhaltung den kaltschnäuzigen alten Haudegen, der weiß, wann seine Stunde geschlagen hat, der letztere gibt eine sehr verspielte Variante des Weltall-Dandys. Die vielleicht originellste Idee des Films besteht darin, Lando als »Liebesinteresse« keine Frau, sondern eine Maschine an die Seite zu stellen: »L3-37« ist ein selbstbewusster Droid mit Frauenstimme und gleichzeitig die Karikatur der modernen Aktivistin. Wo auch immer sie hinkommt, fordert sie die Roboter zur Rebellion auf.
Ausgefeilte Action, ab und zu eine Pointe und viel Liebe zum Detail machen einmal mehr die Erfolgsmischung aus. Wer Freude an der leicht absurden Kombination von Western-Motiven und Alien-Monstern hat, etwa an der x-ten »Kantinen-Szene«, in der seltsame, mehräugige Gestalten Bossanova singen und sich verhalten wie Bogart und Konsorten in Ricks »Casablanca«-Café – der kommt auch hier auf seine Kosten. Wirklich aufregend und neu aber ist an »Solo: A Star Wars Story« nichts. Und das Problem dabei ist: genauso so sollte es wohl auch sein.
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