Performative Eingriffe, Archive und Untertitel
Immer noch zu Hause: Zweiten Tagesspiegel-Text geliefert, über drei Forums-Filme, die mit dokumentarischen Mitteln im engeren Sinn Menschenrechtsverletzungen festhalten: Clarissa Thiemes »Was bleibt Re-visited« nutzt performative lokale Eingriffe, um mit Menschen in Bosnien-Herzegowina über Gegenwart und Vergangenheit zu sprechen. Jonathan Perels »Responsabilidad empresarial« zeigt Fabriken und Werften, die in den Jahren des Militärregimes 1976-83 mit dem Regime gegen Gewerkschafter*innen und Arbeiter*innen kollaborierten und davon profitierten.
Gründet Perels Film auf die Untersuchungsergebnisse einer vom argentinischen Ministerium für Justiz und Menschenrechte veröffentlichte umfangreiche Studie zu »Corporate Accountability in Crimes against Humanity« aus dem Jahr 2015 (die er auch zitiert), so ist die Vorlage zu Radu Judes »Tipografic majuscul« ein auf Geheimdienst-Akten gegründetes Dokumentartheaterstück um das Schicksal eines rumänischen Schülers, der von der Securitate wegen des Schreibens oppositioneller Parolen erst festgenommen und dann umgedreht und rekrutiert wird. Gegen die von Darstellern vorgetragenen Berichte und Aussagen setzt Jude Fundstücke aus einem anderen Archiv: Dem des rumänischen Fernsehens, wo zur Zeit der Repression in Unterhaltungssendungen auf gute Laune gemacht wird.
Alle drei Filme sind mit jeweils eigenständiger und begründeter Filmästhetik sehenswert, wertvoll aber auch als informative historische Dokumente. Allerdings ist es bei wortlastigen Filmen wie denen von Jude und Perel (und davon gibt es viele) ein Problem für nicht Kundige der jeweiligen Filmsprachen, dass das Auge große Teile des Films mit dem Lesen der Untertitel beschäftigt ist und das Bild darüber nicht angemessen wahrnehmen kann. Trotzdem bin ich für untertitelte Fassungen und gegen Over-Voicing: die einzige Lösung für dieses Problem wäre wohl, die Sprachen der jeweiligen Filme zu lernen. Zugegebenerweise nicht ganz praktikabel ;-)))
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