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Gerhard Midding

Seine Figuren waren es gewohnt, von ihren Ehefrauen abgekanzelt zu werden. Es gab immer etwas, das man an ihnen aussetzen konnte: Alberto Sordi repräsentierte das soziale Ungenügen. Selten jedoch hatte das Urteil seiner enttäuschten Gattinen so viel moralisches Gewicht wie aus dem Munde von Lea Massari, die in »Una vita difficile« zu ihm sagt: "Der Bart war das einzig Gute an dir."

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Nun hat er nichts Dringenderes mehr zu tun, als Schmetterlingen nachzujagen. Sixten ist aus dem Krieg desertiert, der die Zerstörung alles Schönen bedeutet. Er besiegelt seine Entscheidung, in dem er die Epauletten seiner Uniform abtrennt. Jetzt steht er unter der Befehlsgewalt des Glücks, das er mit der Trapezkünstlerin Elvira Madigan erlebt.

Gerhard Midding

Da ich als rücksichtsvoller Zigarrenraucher oft auf den Balkon ausweiche, habe ich die Nachbarschaft meines Pariser Gastgebers inzwischen ein wenig kennengelernt. Ich würde zwar nicht behaupten, auf der gegenüberliegenden Straßenseite trüge sich ein Welttheater zu, das von wahrhaft überdurchschnittlichem Interesse wäre. Aber bei meinem jüngsten Besuch stellte ich fest, dass im fünften Stock des Hauses zur Linken bemerkenswerte Veränderungen stattgefunden haben.

Gerhard Midding

Paris hat im Kino, grob gesagt, zwei Aspekte: den monumentalen und den volkstümlichen. Der erste ist die Domäne des touristischen, gern amerikanischen Blicks, er umfasst die berühmten Wahrzeichen, die prachtvollen Boulevards und mondänen Hotels. Der zweite zelebriert die Stadt der "kleinen Leute", er findet sich etwa in Filmen von René Clair, Jacques Prévert und von mir aus auch Jean-Pierre Jeunet. Beide Sphären funktionieren wie eine Kurzschrift des Kinos, um die Stadt und vor allem ihre Folklore augenblicklich zu evozieren. Notre-Dame gehört beiden Sphären an.

Gerhard Midding

Bei einigen der beeindruckendsten Interviews, die ich je geführt habe, kam ich kaum zu Wort. Ich denke dabei vor allem an zwei Gespräche mit Regisseuren, das eine mit Alan J. Pakula, das andere mit Youssef Chahine. Von Führen konnte keine Rede sein, Beiwohnen traf die Wahrheit eher. Es ist ein peinliches Glück für einen Journalisten, wenn sein Gesprächspartner schon mal ohne hin loslegt.

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Als er morgens ins Büro kam, erzählte Joel, hatte sich trotz des Regens schon eine lange Schlange gebildet. Die Türen der Cinémathèque waren noch verschlossen, die Gedenkfeier sollte erst in anderthalb Stunden beginnen. Der Andrang der Menschen, die um Agnès Varda trauerten, war so enorm, dass der große Saal nicht ausreichte, die Feierstunde musste in die zwei anderen Kinos übertragen werden.

Gerhard Midding

Mit der Emigration der Juden, sagt man gern, verlor das deutsche Kino ab 1933 seine Leichtigkeit und Ironie. Das ließe sich auch für andere Künste postulieren. Aber was hätte sein können, wenn sie zurückgekehrt wären? Hätten sie ihren Elan noch im Gepäck gehabt und den Verlust so wieder wettgemacht?

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Sie trugen meist dicke Mäntel, denn es herrschte vorwiegend Herbst oder Winter in den Filmen. Ihr Dasein war in Grau getaucht und ihr Zuhause eng und stickig. Um sich Abwechslung zu verschaffen, erklommen sie in ihrer Freizeit die Hügel über den Industriestädten und blickten auf die Schornsteine herab, die damals noch unaufhörlich rauchten. Unweigerlich wurde eines der Mädchen schwanger, was erst einmal das Ende der ersehnten Freiheit bedeutete.

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Das Wort gefiel mir, es klang rätselhaft, apart und würdevoll: Phalanstère. Bevor Jacques Audiard es benutzte, kannte ich es nicht. Das ließ ich mir nicht anmerken, schon um des Gesprächsflusses willen, außerdem konnte ich mir denken, was es bedeutete: Es benennt die Vision, die Herman Kermit Warm in „The Sisters Brothers“ mit Hilfe des Goldes verwirklichen will, das er in Kalifornien findet.

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Ulrich Noethen zählt zu den nicht wenigen hervorragenden Schauspielern, die auch als Sprecher und Vorleser tätig sind. Diese drei Metiers sind auf das Engste miteinander verwandt. Sie beruhen auf kunstfertiger Einfühlung, auf Sprachgefühl und verlangen zuweilen Demut. Aber manchmal trennen sie Welten.