Lizenz zum Singen
Heute wird offiziell der Song zum neuen Bond-Film veröffentlicht. Bislang war von »Writing's on the Wall« nur ein halbminütiger Teaser bekannt (noch ohne die Gesangsstimme von Sam Smith); auf YouTube wurden unterdessen einige Fälschungen gepostet. Wäre ich auf Spotify registriert, könnte ich ihn jetzt schon hören, aber ich warte lieber ab, wie das Stück dann zum Vorspann von »Spectre« klingt.
Der Teaser lässt eine schwergewichtige, aufwändig orchestrierte Ballade erwarten, die den Kritiker des Londoner »Guardian« stark an Adeles »Skyfall«-Thema erinnerte. Das war immerhin einer der wenigen markanten Bond-Songs der letzten 20 Jahre. Oder, um es unverblümt zu sagen: einer der wenigen, von denen man sich vorstellen könnte, dass ihn Shirley Bassey singt. Darüber, was einen guten Bond-Song ausmacht, gibt es mindestens so viele Theorien, wie die Serie bis dato an Folgen hervorgebracht hat. Die Kriterien haben sich maßgeblich gewandelt in den letzten Jahrzehnten. Seit den 1980ern scheint, es sie müssten mehr auf der Höhe der Zeit sein, was vielleicht erklärt, weshalb man sich an so verflixt wenige erinnert seit der Abenddämmerung der Roger-Moore-Era. Auch wenn ich Gladys Knights »Licence to kill« großes Unrecht tun sollte: erst mit Tina Turner und »Goldeneye« kam wieder unverhofft Schwung hinein. Ein unbestreitbarer Vorteil ist allerdings, dass die Songtitel nicht mehr mit den Filmtiteln identisch sein müssen.
Im ersten Jahrzehnt herrscht noch ein Stil vor, den ich der Einfachheit halber den Las-Vegas-Stil nenne. Cocktail-Musik wäre nicht ganz so treffend, denn die Lieder durften sich nicht einfach einschmeicheln, sondern mussten schon eine gewisse Dramatik entwickeln. Die erfolgreichen Songs der 60er sind noch einer Vorstellung von Popmusik verhaftet, die eine Generation überlebt hat. Matt Monro war schon eine ziemliche altbackene Wahl für »From Russia with love«; obwohl ich das Lied insgeheim dann doch dem pompöseren »Thunderball« von Tom Jones vorziehe. Shirley Bassey konnte seinerzeit ohnehin niemand das Wasser reichen. Für Nancy Sinatras elegischeres »You only live twice« und vor allem für Louis Armstrongs philosophisches »We have all the time in the world« (Kunststück, das wurde von Burt Bacharach komponiert) habe ich allerdings auch eine gewisse Schwäche.
Nach Shirley Basseys »Diamonds are forever«, der gut passt, weil der Film ja weitgehend in Vegas spielt, ist eine gewisse Verunsicherung zu spüren. »Live and let die« von Paul Mc Cartney & seinen Wings hat mich nie ganz so überzeugt – vielleicht, weil Moore süffisanterer Bond aus der Zeit fiel und mithin eigentlich kein Bedarf nach musikalischer Aktualität bestand. Lulu für »The Man with the Golden Gun« zu nehmen, was dann ein fast logischer Rückschritt in eine vergangene Epoche. Eigentlich folgte die Song-Auswahl meist einen Prinzip der Verschiebung, des schmissig übertönten Unzeitgemäßen.
Es hätte auch alles anders kommen können. Im britischen »Telegraph« stieß ich unlängst auf einen Artikel über abgelehnte Bond-Songs. Einige der Alternativen sind läppisch (die Pet Shop Boys für »The Living Daylights«, Ace of Base für »Goldeneye«), es sind aber auch verrückte Gedankenspiele darunter. Obwohl, Alice Cooper ist eigentlich gar keine so abwegige Wahl für »Golden Gun«; zumal in der Nachfolge McCartneys, was beinahe eine Aufholjagd der noch nicht ganz postkolonialistischen Serie mit dem musikalischen Zeitgeist bedeutet hätte. Bedauerlich ist nur, dass die GEMA den Zugriff auf Johnny Cashs Alternativversion von »Thunderball« verhindert.
PS: Mittlerweile habe ich das neue Titellied doch gehört.Dabei war ich gar nicht so ungeduldig. Eine große Zukunft mag ich ihm momentan allenfalls in Casting-Shows voraussagen. Dahin passt sein larmoyanter Bombast. Aber seien wir nicht ungerecht, sondern warten ab, wie er zum Vorspann klingt.
Kommentare
Die GEMA?
Die GEMA verhindert den Zugriff? Das hätte ich jetzt von epd film nicht erwartet! Dazu immer wieder lesenswert: http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/585272/Die-Dummheit-der-Gema-Hasser
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