Amazon: »Ferrari«
Der US-Schauspieler Adam Driver arbeitet weiter an seiner italienischen Phase. Nach Maurizio Gucci in Ridley Scotts Film »Gucci« (2021) verkörpert Driver in Michael Manns »Ferrari« die italienische Rennsport- und Autobauer-Legende Enzo Ferrari. Im Jahr 1957 steht der 1898 in Modena geborene Ferrari vor einem Berg von Problemen. Sein Unternehmen steckt in finanziellen Schwierigkeiten, praktikable Rettungsmaßnahmen muss seine Frau Laura (Penélope Cruz) absegnen. Der Ehe ist die Harmonie abhandengekommen, was Laura mit einem Schuss auf den frühmorgens heimkehrenden Mann illustriert. Dabei weiß sie noch gar nicht von Enzos Beziehung zu der von Shailene Woodley gespielten Lina und dem unehelichen Sohn Piero (Giuseppe Festinese). Einziger Ausweg aus den materiellen Nöten: der Sieg bei einem spektakulären Rennen, den »Mille Miglia«, 1000 Meilen auf öffentlichen Straßen im Norden Italiens.
Manns gut zweistündiger Film transportiert ein Paradoxon. Natürlich fängt Erik Messerschmidts Kamera atemberaubende Effekte ein, wenn Motoren aufheulen, die Gänge krachend wechseln und die Fahrer in ihren Boliden risikofreudig die Kurven nehmen. Für den Fall der Fälle haben sie alle Abschiedsbriefe hinterlassen. Der Rennsport, sagt Ferrari, ist eine tödliche Leidenschaft und ein schreckliches Vergnügen.
Aber für lange Strecken nimmt Mann das Tempo heraus und erforscht mit kammerspielhafter Intensität Seelenlandschaften. Der Tod spielt in »Ferrari« eine Hauptrolle. Enzo und Laura haben ihren Sohn Alfredo 1956 verloren; er starb an Muskeldystrophie. Der Film zeigt Szenen einer am Trauma zerbrechenden Ehe, in denen Cruz als Rachegöttin, Amazone und Furie den Ton angibt. Driver als Enzo reagiert zumeist mit stoisch anmutender Zurückhaltung, einer die Ehefrau reizenden emotionalen Defensive. Doch auch er offenbart wie Cruz in »Ferrari« in großartigen Szenen sein Innerstes. Es sind einsame Augenblicke, in denen der Schmerz der Eltern nach dem Tod des Sohnes für den Zuschauer fast physisch erfahrbar wird.
Driver beherrscht mimisch und gestisch die lässige Grandezza des Commendatore Ferrari und beglaubigt die Aura des Rennsport- und Frauenhelden. Seine Figur erscheint als entfernter Verwandter von Robert De Niros Meisterdieb Neil McCauley in Michael Manns »Heat« (1995). Ein Getriebener, der eine Schutzmauer um sich errichtet hat, auch in Innenräumen häufig eine Sonnenbrille trägt und zumeist cool, trocken und distanziert mit der Welt um sich herum kommuniziert.
Die Handlung läuft genretypisch auf den unvermeidlichen Höhepunkt zu: die »Mille Miglia« im Mai 1957. Hier zeigen die roten Ferrari-Flitzer auf dem Weg von Brescia nach Rom und zurück, was in ihnen steckt; von technischen Pannen bleiben aber auch sie nicht verschont. Die Dramatik der Rennszenen unterdrückt nicht die berechtigte Frage nach der Sinnhaftigkeit des Sports, im Gegenteil. Auf der letzten Etappe ereignet sich ein katastrophaler Unfall, bei dem Ferraris spanischer Fahrer Alfonso de Portago (Gabriel Leone) ums Leben kommt. Insgesamt sterben elf Menschen.
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