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»Cruel Intentions« (Serie, 2024). © Jasper Savage/Prime Video

© Jasper Savage/Prime Video

Ränkespiel der Nepo-Babys

Kaum ein Stoff aus dem 18. Jahrhundert erfreut sich in der Popkultur der Gegenwart noch derartiger Beliebtheit wie Pierre Choderlos de Laclos' Briefroman »Gefährliche Liebschaften«. Abgesehen von zahlreichen Bühnenfassungen und den zwei Kinoadaptionen durch Roger Vadim (»Les liaisons dangereuses«, 1959, und »Une femme fidèle«, 1976) kam es 1988/1989 zu einem regelrechten Showdown zweier gleichzeitig entstandener Verfilmungen, bei dem Stephen Frears' »Dangerous Liaisons« nicht nur mit seinem herausragenden Cast (Glenn Close, John Malkovich, Michelle Pfeiffer, Uma Thurman, Keanu Reeves) punkten konnte, sondern auch durch den früheren Starttermin. Heute erscheint Milos Formans »Valmont« mit Annette Bening und Colin Firth einigen als der bessere Film. Formans Version geht freier mit der Vorlage um und interessiert sich mehr für die Gefühle der Figuren. Die von Frears' beruht auf einem sehr gut funktionierenden Bühnenstück und stellt die Dualität von Macht und Sex ins Zentrum.

Oscarnominierungen hin oder her (für »Dangerous Liaisons« gab es 1989 sieben, für »Valmont« im Jahr darauf nur eine), beide Verfilmungen können mit der unter Teenagern einer Highschool angesiedelten Version »Cruel Intentions« (1999, Regie: Roger Kumble) nicht mithalten. Der Film, in dem Ryan Phillipe als Valmont mit Verführerschwung durch Schulflure flaniert, während Sarah Michelle Gellar in der Marquise-de-Merteuil-Rolle das Unglück von Reese Witherspoon herbeiintrigiert, wurde zum Kultphänomen und brachte ein regelrechtes Franchise in die Welt: zwei – weniger erfolgreiche – Fortsetzungen (2001 und 2004) im Kino, ein Musical (2015) und ein 2016 gecanceltes Serienprojekt.

Und nun also eine neue Serie unter dem alten Titel »Cruel Intentions«, besetzt jedoch mit neuen Gesichtern, neuen Figuren und an einem anderen Schauplatz spielend. Dennoch erkennt man in Zac Burgess, wie er zufrieden lächelnd über den Flur eines Colleges der Kamera entgegenkommt, augenblicklich den Verführer Valmont, der hier Lucien heißt. Dasselbe gilt für Sarah Catherine Hook, die als »Queen B« und nominelle Präsidentin einer »sorority«, einer Studenteninnenverbindung, in herrischer Entrüstung einer Schar von huschenden Mädchen Anweisungen gibt. Wie in Kumbles Film sind Catherine und Lucien Stiefgeschwister. Beide haben sich dank ihres Geschicks in sexuellen Dingen eine Machtbasis erarbeitet an dem College voller reicher »Nepo-Babys«, das sie besuchen. Als mit Annie Grover (Savannah Lee Smith) die Tochter des (fiktiven) US-Vize-Präsidenten unter Begleitung von Bodyguards vor der Schule vorfährt, ist auch klar, wer die Madame-de-Tourvel-Rolle innehaben wird.

Der Rest der bekannten Charaktere findet sich verteilt auf mehrere Figuren, während andere überhaupt erst zu solchen entwickelt sind. Wobei die Serienschöpfer Phoebe Fisher und Sara Goodman mit sehr gutem Gespür die bekannten Elemente der Story dafür nutzen, den Zuschauer in die Geschichte hineinzuziehen, um dann die Spannung zu halten, indem sie mannigfaltige Möglichkeiten der Abweichung vom Plot andeuten.

Bis wohin wird Catherine Merteuil mit ihrem Ränkespiel kommen und an welchem Punkt, wenn überhaupt, wird Valmonts Herz gebrochen, das sind immer noch die Kernfragen. Daneben aber gelingt es dieser Serie, die mit Seifenoper-Elementen und glamourösen TV-Intrigen alten Stils in die Vollen geht, eine Reihe von Nebenfiguren zu etablieren, für die man sich mindestens so interessiert wie für das Stiefgeschwisterpaar im Zentrum. Annie etwa, die brave Vizepräsidententochter, darf trotz »Anständigkeit« mehr als nur passives Opfer sein. CeCe (Sara Silva) kämpft als Catherines »Untergebene« um ihr eigenes Selbstbewusstsein in sexueller wie in intellektueller Hinsicht. Und Blaise (John Harlan Kim) bringt in diese Welt der glamourösen Erben den Klassenaspekt hinein.

OV-Trailer

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