Paramount+: »Ghosts of Beirut «

»Ghosts of Beirut« (Miniserie, 2023). © Sifeddine Elamine/Showtime

© Sifeddine Elamine/Showtime

Dynamik des Dschihad

Nein, so bekannt wie Osama bin Laden ist er nicht. Nicht umsonst trug der mutmaßliche Mitbegründer der libanesischen Terrormiliz Hisbollah den Spitznamen »unauffindbarer Geist«. Bis zu den Anschlägen vom 11. September galt er als Inhaber eines Rekords. Mit Bombenanschlägen auf der ganzen Welt hatte Imad Mughniyeh mehr Menschen ermordet als jeder Islamist vor ihm.

Die Showtime-Serie fächert die Lebensgeschichte dieses Strategen im Stil eines Dokudramas mit authentischen Zeitzeugen auf. Der Disclaimer kündigt einen »fiktiven Bericht über gründlich recherchierte Ereignisse« an. Dass dies kein leeres Gerede ist, dafür stehen die beiden am Drehbuch beteiligten Israelis Avi Issacharoff und Lior Raz. Ihre furios inszenierte Serie »Fauda« setzte Maßstäbe in der Darstellung des Nahostkonflikts. Mit »Ghosts of Beirut« schlagen sie nun ein früheres Kapitel der Dauerfehde zwischen Arabern und Israelis auf.

Die Geschichte beginnt im Libanon der frühen 80er Jahre. Bei einem Date geht Mughniyeh, damals um die 20, mit seiner Zukünftigen nicht ins Kino. Er zeigt ihr ein Waffenlager. Um die Übermacht der USA zu brechen, die während des Libanonkonflikts Israel unterstützten, lässt Mughniyeh einen mit Sprengstoff voll gepackten PKW vor das Hauptquartier der US-Marines in Beirut bringen. Fahrer ist ein Verwandter, der im Krieg fast alle Angehörigen verlor. Vor Ort soll er den Zünder betätigen.

»Selbstmord ist doch eine Sünde?«, wendet dieser ein. »Wenn wir im Heiligen Krieg sind, nicht. Dann bist du Märtyrer.« Selbstmordanschläge wurden zum Game Changer im Nahostkonflikt. Mughniyeh galt als »Rekrutierer«. Zum Gehorsam verpflichtete Familien- und Clanangehörige schickte er reihenweise in den Tod. Aufgrund der Abhängigkeit vom Iran, der Sprengstoff und Logistik finanzierte, musste er als Gegenleistung die religiöse Doktrin aus Teheran umsetzen. Der Befehl an seine Frau, sie möge sich verschleiern, erfolgt beiläufig. Das sei doch »kleidsamer«. Doch geht er fremd mit einer unverschleierten Syrerin, die als selbstständige, selbstbewusste Geschäftsfrau lebt. Fehler, die ihm dabei erstmals unterlaufen, führen Agenten nach über zwanzig Jahren auf seine Spur.

Ob es sich genau so zugetragen hat, sei dahingestellt. Die Serie nimmt sich Freiheiten. Überzeugend ausgeleuchtet werden dabei die innere Dynamik des Dschihadismus und die Hilflosigkeit der Terrorbekämpfung. Um das komplexe Geflecht aus beteiligten Personen und historischen Fakten zu berücksichtigen, verzichtet die Serie auf eine konventionelle Spannungsdramaturgie. Dennoch gipfelt der Vierteiler in einem bewegenden Schlüsselmoment. Als der Mossad-Agent Teddy die Autobombe zünden lässt, die Mughniyeh ein Ende bereitet, verbietet er Mitarbeitern im Monitorraum Jubeln und Klatschen. Das beklemmende Bekenntnis dazu, dass man sich mit diesem akribisch geplanten Mord nicht jenen Terroristen anverwandeln will, die den Tod anbeten, verdeutlicht die Dynamik, die den Nahostkonflikt bis heute nicht enden lässt. Dies macht die Serie zu einem Ereignis.

OmeU-Trailer

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