Netflix: »Fair Play«
Beim Titel dieses Films muss es sich, das ahnt man relativ früh, um bitterste Ironie handeln. Fair Play ist schließlich im Hyperkapitalismus des an der Wall Street allgegenwärtigen Investmentbankings so gar nicht angesagt. Und auch in der Liebe wird Fairness, wenn es hart auf hart kommt, eher kleingeschrieben, wie Regisseurin und Drehbuchautorin Chloe Domont mit ihrem Debüt einmal mehr vor Augen führt.
Die Welt, in der Domont ihre Geschichte angesiedelt hat, ist die der Hedgefonds und Analyst*innen, in der ambitionierte Durchstarter*innen mit aller Macht versuchen, skrupellos zu sein, und am Ende nicht selten mit einem Burn-out dafür bezahlen. Da kommt es auch schon mal vor, dass ein Manager angesichts seiner unvermittelten Kündigung wutentbrannt sein Büro mit einem Golfschläger zertrümmert, während hinter der Glaswand gerade alle Assistent*innen möglichst ungerührt ein Fortbildungsvideo über korrektes Verhalten am Arbeitsplatz präsentiert bekommen.
Emily (Phoebe Dynevor) und Luke (Alden Ehrenreich) gehören beide zu diesem Team, und obwohl es gegen Firmengrundsätze verstößt, führen sie heimlich eine Beziehung. Wohlgemerkt eine zunächst glückliche: Der Sex ist fantastisch, der Verlobungsring schon gekauft. Doch dann entpuppen sich die Gerüchte, Luke könnte auf die Nachfolge des Golfschlägerwüterichs befördert werden, als falsch; stattdessen bekommt eines späten Abends an der Bar Emily den Job angeboten. Klar freue er sich für sie, sagt Luke, doch tatsächlich verrutscht von einem Moment auf den nächsten das Gleichgewicht zwischen den beiden. Ehe sie sich versehen, halten Misstrauen und Lügen Einzug, und hin und her gerissen zwischen egoistischem Karrierekalkül und aufrichtigen Gefühlen für einander scheint die Liebe irgendwann verloren.
Die Gnadenlosigkeit, mit der die Mechanismen der Finanzbranche hoffungsvolle Karrieren und psychische Gesundheit aufs Spiel setzen, ist nur ein Teil dessen, was Domont bei »Fair Play« interessiert. Noch viel mehr geht es ihr darum, wie sich innerhalb einer (heterosexuellen) Beziehung die Dynamik verändert, wenn offenkundig wird, dass Theorie und Praxis in Sachen Geschlechtergerechtigkeit und gesellschaftliche Erwartungshaltungen im Spannungsfeld toxisch-patriarchaler Strukturen und einer Post-#MeToo-Realität doch weit auseinanderklaffen.
Dass die aus Los Angeles stammende Regisseurin, die auch schon Episoden von Serien wie »Suits« oder »Billions« inszenierte, gemeinsam mit ihrem auf Coolness setzenden Kameramann Menno Mans nebenbei den erotisch aufgeladenen Psychothrillern der Neunzigerjahre Tribut zollt, steht der ernüchternden Wahrhaftigkeit ihrer Geschichte mitunter ein wenig im Weg. Allzu intensiv lotet sie ihr Sujet nicht aus, anders als etwa die thematisch verwandte Serie »Industry«, die Sex und Emotionen auf etwas komplexere Weise mit Finanzjargon, Genderkonflikten und feministisch angehauchter Gesellschaftskritik kombiniert.
Für dumm verkauft »Fair Play« sein Publikum trotzdem nicht, und dass Domonts von passiv-aggressiven Sticheleien ausgehende, immer brutaler eskalierende Geschichte bestens als spannende und beklemmende Unterhaltung funktioniert, liegt nicht nur an ihren geschliffenen Dialogen. Vor allem verdankt sich das Gelingen ihren beiden hervorragenden Hauptdarsteller*innen.
Dynevor, die durch ihre Hauptrolle in der ersten »Bridgerton«-Staffel bekannt wurde, und Ehrenreich, der Flops wie »Solo: A Star Wars Story« oder »Brave New World« zuletzt durch eindrückliche Auftritte in »Cocaine Bear« oder »Oppenheimer« fast vergessen machte, spielen nicht nur mit der gebührenden Leidenschaft, sondern haben vor allem die nötige Chemie. Und zwar nicht nur für die Sexszenen, sondern auch für die zusehends an die Nieren gehenden Streits. Was für die Prämisse dieses Films beides gleichermaßen wichtig ist.
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