arte-Mediathek: »Wakefield«

»Wakefield« (Miniserie, 2021). © BBC Studios

© BBC Studios

In Therapie

Von »Der Bumerang« über »Die fliegenden Ärzte« bis hin zu aktuellen ZDF-Koproduktionen mit den Jonathan M. Shiff Productions waren und sind australische Serien gar nicht so selten auf deutschen Bildschirmen präsent; sie finden aber selten Beachtung. Während »Orange Is the New Black« hierzulande als innovativ gefeiert wurde, war das Sujet in Australien schon 1979 bis 1986 in »Prisoner« mit ähnlichen Motiven nebst sozialkritischem Ansatz umgesetzt worden. In jüngerer Zeit importierten vor allem Arte und One Serienproduktionen von »Down Under«. Geraldine Hakewill beispielsweise ist bereits bekannt aus »Miss Fishers mysteriöse Mordfälle«. In »Wakefield« spielt sie die Psychotherapeutin Dr. Kareena Wells, ärztliche Leiterin der titelgebenden psychiatrischen Klinik. In acht Episoden entspinnt das Autorenteam um die Serienschöpferin Kristen Dunphy neben Wells' Geschichte die von Kolleg*innen und Patient*innen. Jede Episode teilt sich in mehrere abwechselnd einer Einzelfigur gewidmete Kapitel. Manche Ereignisse werden mehrfach, aber aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt.

Das Zentrum all dessen bildet der Pfleger Nik Katira, Sohn indischer Einwanderer mit anstrengender Mutter, einfühlsam, engagiert, selbst durch ein kindliches Trauma belastet. Das gibt dem Publikum guten Grund zur Sorge, wenn er vor der malerischen Kulisse der Blue Mountains verhangenen Blickes gefährlich nah an einer steilen Klippe steht.

Nik und Kareena waren ehedem verlobt. Jetzt hat sie einen Ehemann, mit dem sie für die Zukunft plant, aber zwischen ihr und Nik gibt es immer noch ein besonderes Einverständnis. Und manchmal gewisse Blicke. Linda Crowley, die kommissarische Leiterin der Pflegestation, versteht sich auf die Intrige. Sie führt die hohen Kosten für die Betreuung ihres pflegebedürftigen Kindes ins Feld, um ihren Posten gegen Mitbewerber zu verteidigen. Keine der Figuren ist ausschließlich guten oder schlechten Charakters.

Die Regisseurinnen Jocelyn Moorhouse und Kim Mordaunt finden originelle Bilder insbesondere für die Fantasiewelten und Wahnvorstellungen, die sich bisweilen in den Alltag schleichen und den Betroffenen zu schaffen machen. Pastose Naturbilder, surreale Traumlandschaften, imaginäre Gestalten – und Tanzszenen im Musicalstil, denn Nik war als Junge ein begeisterter Stepptänzer. In diesen entrückten Passagen ist »Wakefield« weitaus zugänglicher als etwa die US-Serie Legion aus dem X-Men-Universum, die Schizophrenie zum Thema hatte, das Krankheitsbild aber nur für überbordende, selbstzweckhafte Phantasmagorien ausbeutete.

»Wakefield« ist kein Psychokrimi und doch voller Spannung, entwickelt aus den komplexen Figuren, deren Vorgeschichten wohlportioniert enthüllt werden und die immer für eine Überraschung gut sind. Vor einem allerdings muss gewarnt werden: Nik wird penetrant von einem Song verfolgt, »Come On Eileen« von Dexys Midnight Runners, der ihm sogar den Schlaf raubt. Der Ohrwurm ist gefährlich!

OV-Trailer

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