RTL+: »Hacks«

»Hacks« (Serie, 2021). Foto: RTL+ / © NBC Universal

Foto: RTL+ / © NBC Universal

Comedy als Arbeit

Deborah Vance ist eine große Nummer. So groß, dass ihr Antlitz ganze Hochhausfassaden schmückt. Zumindest in Las Vegas, wo die nicht mehr ganz junge Komikerin Abend für Abend in einem ausverkauften Hotelsaal auf der Bühne steht und mit großer Routine ihr Stand-up-Programm als Mischung aus fiesen Frechheiten und glamouröser Egozentrik abspult. Man darf sich Vance, so wie Jean Smart sie in der mit viel Verspätung nun auch bei uns laufenden Serie »Hacks« verkörpert, also als eine Art Schwester im Geiste von Joan Rivers vorstellen (wobei die Schöpfer*innen betonen, dass eine Vielzahl weiblicher Comedians als Vorbild diente).

Doch auch eine Entertainment-Legende wie Deborah Vance, die einst auch eine erfolgreiche Sitcom hatte, mit einer schmutzigen Scheidung für Schlagzeilen sorgte und nebenbei gutes Geld auf Shopping-Kanälen macht, läuft Gefahr, irgendwann zum alten Eisen zu gehören. Und so wird die Dynamik der Serie dadurch in den Gang gesetzt, dass Vances Manager Jimmy (Paul W. Downs) ihr eine neue Gagschreiberin an die Seite stellt, die frischen Wind in das ewig gleiche Comedy-Programm bringen und damit die Verlängerung des lukrativen Vertrags im Palmetto-Hotel sichern soll.

Ava Daniels (Hannah Einbinder) ist ebenfalls Klientin von Jimmy und gilt als arrogant, schwierig und nach einem problematischen Tweet vor allem als vorübergehend unvermittelbar in der Branche. Daran stört sich Vance eher wenig, doch die Notwendigkeit einer neuen Autorin sieht sie trotzdem nicht wirklich. Und auch sonst lässt sich die Zusammenarbeit der beiden schwierig an: Zu groß scheinen die Unterschiede zwischen dem selbstbezogenen, Luxus gewohnten und abgehobenen Promi und der verpeilten, queeren und 40 Jahre jüngeren Ava. Oder sind sie sich, auf den zweiten Blick, womöglich im Gegenteil viel zu ähnlich? Dass es zwischen den beiden im Verlauf der ersten Staffel (in den USA lief bereits eine zweite) ordentlich kracht, ist jedenfalls ebenso gewiss wie die Tatsache, dass die beiden einiges voneinander lernen können.

Wer angesichts des letzten Halbsatzes befürchtet, es könnte in »Hacks« allzu schmonzettig zugehen, hat sich glücklicherweise getäuscht. Im Gegenteil! Beide Protagonistinnen sind auf jeweils eigene Weise so erfrischend komplex, kompliziert und bisweilen richtig unsympathisch, dass für Kitsch gar kein Platz ist. Für oft abgründigen, bösen Humor, der nah am Puls der Zeit ist, dafür umso mehr. Und während man anfangs noch denkt, sowohl Ava als Figur als auch Einbinder (die als Tochter eines Comedy-Autors und der »SNL«-Komikerin Laraine Newman absolut vom Fach ist) als ihre Darstellerin könnten neben der famos aufspielenden Smart – nach tollen Auftritten in »Watchmen« oder »Mare of Easttown« endlich mal wieder in einer Hauptrolle zu sehen – allzu sehr verblassen, merkt man spätestens nach ein paar Folgen, wie geschickt ausbalanciert die Dynamik zwischen beiden Frauen ist.

Auch sonst gibt es für »Hacks« an allen Fronten Bestnoten. Die Gags sitzen durch die Bank, die Nebenfiguren (etwa Carl Clemons-Hopkins als Vances engster Mitarbeiter, Kaitlin Olson als entfremdete Tochter oder Megan Stalter als Jimmys ahnungslose Assistentin) sind herrlich schräg, ohne Staffage zu bleiben, und sogar die Stand-up-Szenen wirken glaubwürdig, was (man denke an vergleichbare Szenen in »The Comedian« oder »And Just Like That«) alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist.

Vor allem aber gelingt es dem Autor*innen-Team auf erstaunliche und enorm kluge Weise, in das dichte Humornetz der Serie einiges an Wahrhaftigkeit und Emotionen einzuweben und nebenbei ein Panoptikum von Themen zu verhandeln, das von Ruhm und Altern über Familientraumata und Selbstdarstellung bis hin zu Genderfragen und Feminismus reicht. Viel abwechslungsreicher, cleverer und unterhaltsamer kann eine Comedy-Serie als Gesamtpaket dieser Tage kaum sein.

OV-Trailer

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