Amazon: »Dreizehn Leben«
Über kaum ein Ereignis der jüngeren Vergangenheit gab es innerhalb kurzer Zeit so viele Filme wie über die Rettungsaktion in der Tham-Luang-Höhle in Thailand. Wir erinnern uns: Im Juni 2018 wurden dort zwölf Jungen einer Jugendfußballmannschaft gemeinsam mit ihrem Trainer von heftigen Regenfällen überrascht; angesichts des überfluteten Rückwegs musste die Gruppe immer tiefer in das Höhlensystem flüchten. Nach 17 Tagen gelang in einer ebenso spektakulären wie waghalsigen Aktion schließlich die Rettung – unter medialer Anteilnahme praktisch der ganzen Welt.
Nur 15 Monate später startete mit »The Cave« die erste Verfilmung der Geschehnisse, in der einige der Beteiligten sich selbst spielten; Anfang 2020 folgte die kritische Dokumentation »13 Lost: The Untold Story of the Thai Cave Rescue«, 2021 der mehrfach preisgekrönte Dokumentarfilm »The Rescue«. Und nun also die Hollywoodaufbereitung, mit großem Budget, namhaften Stars und einem Regisseur, der für den Stoff prädestiniert scheint: Ron Howard, dessen »Apollo 13« längst ein Klassiker im gar nicht so kleinen Subgenre der Rescue Movies ist. Viggo Mortensen und Colin Farrell verkörpern die britischen Höhlentaucher Richard Stanton und John Volanthen, die die Aktion am Ende leiteten, Joel Edgerton den Taucher und Mediziner Richard Harris, der die Jungen für die Rettung sedierte. Drehbuchautor William Nicholson ist vor allem für »Gladiator« bekannt. Geballte Hollywoodpower also.
Umso angenehmer ist die Überraschung, dass »Dreizehn Leben« die gängigen Klischees erfolgreich vermeidet. Zu Beginn fürchtet man noch das Schlimmste. Wenn die thailändischen Marinetaucher erschöpft und erfolglos vom ersten Höhlentauchgang zurückkehren und Minuten später Farrell und Mortensen als abgebrühte Professionals auftauchen, deutet alles auf eine »White Savior«-Erzählung hin. Sehr schnell aber wird deutlich, dass die Filmemacher genau diese Perspektive vermeiden wollen. Die Rolle der thailändischen Rettungskräfte wird ebenso betont wie die aufwendigen Initiativen thailändischer Zivilisten, die trickreich eine vollständige Flutung der Höhle verhinderten.
Zwar spart der Film auch kritische Aspekte seitens der thailändischen Bürokratie und Militärführung nicht aus, bleibt aber auch hier respekt- und verständnisvoll – am Ende zogen sowieso alle an einem Strang. Und wenngleich die ausländischen Taucher als ausführende Kräfte im Mittelpunkt der Erzählung stehen, werden sie nicht als klassische Helden porträtiert. Mortensen spielt den Exfeuerwehrmann Stanton als nüchternen Profi, der Risiken abzuschätzen weiß und sich nicht unnötig in Gefahr begibt; Farrell darf als Familienvater John Volanthen angesichts der Lebensgefahr für die Jugendlichen mehr Gefühle zeigen, aber auch diese Momente bleiben auffallend gemäßigt, als wolle man Pathosvorwürfe um jeden Preis vermeiden.
Ron Howards Inszenierung ist ganz auf altmodische Effizienz ausgelegt, in zweieinhalb Stunden scheint keine Szene zu viel, der Film ist temporeich, aber nicht atemlos und mit seiner bemerkenswerten Faktentreue mehr journalistisches Dokudrama als dramatisierender Blockbuster. Howard gelingt das Kunststück, aufpeitschende Emotionalität zu vermeiden und doch eine ungeheure Spannung zu erzeugen, selbst wenn man den Ausgang der Geschichte bereits kennt. Neben der schieren Unglaublichkeit der Rettungsdetails ist dies nicht zuletzt dem Weerasethakul-Stammkameramann Sayombhu Mukdeeprom und dem Cutter James Wilcox zu verdanken, deren Arbeit die klaustrophobische und kräftezehrende Situation im trüben Wasser des kilometerlangen Höhlenlabyrinths beklemmend nachfühlbar macht. Dass die Situation der eingeschlossenen Jugendlichen praktisch keine Rolle spielt, dürfte eine ganz bewusste Entscheidung gewesen sein: »Dreizehn Leben« ist kein Survival-Drama, sondern ein Rescue-Drama. Allen 13 Schicksalen hätte man ohnehin kaum gerecht werden können. Das übernimmt laut Ankündigung die nächste filmische Aufbereitung der Geschichte: Ende September startet die Miniserie »Thai Cave Rescue«. Auf Netflix.
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