Buch-Tipp: Eine Liebe in Paris – Romy & Alain

Heyne-Verlag

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Erinnerung, die weh tut

Aus bestimmten Filmen bleiben einem Lieblingsszenen in Erinnerung; aus Thilo Wydras Buch über Romy Schneider und Alain Delon prägen sich Lieblingsstellen ein: zum Beispiel die, an der Senta Berger von ihrer Zeit mit Romy 1962 bei Dreharbeiten in London erzählt. Sie selbst sei noch sehr jung und unerfahren gewesen, Romy dagegen schon ein Weltstar, aber über Kindheitsgeschichten – beide sind in Wien geboren – seien sie sich nähergekommen. Und beim Reden hätten sie sich regelrecht in den Wiener Dialekt hineingestürzt: »Ja geh, is wahr, sagst auch«.

Eine andere Lieblingsstelle ist die, an der Jane Birkin von den Dreharbeiten zu »Swimming Pool« erzählt. Sie beschimpft ein wenig ihr eigenes, »dummes« junges Ich, das sich zu viel für modischen Schnickschnack interessiert habe, statt ihre Rolle interessanter zu gestalten. Und sie schildert die Schwierigkeiten, in die sie geriet, als sie ihre knapp zweijährige Tochter an den Set nach Saint Tropez mitbringen wollte. Regisseur Jacques Deray befürchtete, das Image der als 18-jährige Nymphe besetzten Britin, die immerhin schon 21 war, zu beschädigen.

Solche Anekdoten, die schlaglichtartig Einblicke »hinter die Kulissen« des Filmgeschäfts geben und zugleich sinnliche Eindrücke der geschilderten Personen hinterlassen, bilden beispielhaft die Herangehensweise von Wydra ab. Mit sicherem Fingerspitzengefühl fügt er zu einer packenden Erzählung zusammen, was er in sorgfältiger und weitreichender Recherche über die beiden Schauspielerlegenden erarbeitet hat. Das Ergebnis ist ein ziemlich erstaunliches Filmbuch, das selbst die Leser bewegen könnte, die weder Romy- noch Delon-Fans sind.

Die Erzählungen rund um »Swimming Pool« bilden das Herzstück des Buchs, weil es sich um einen Film handelt, der heute noch fasziniert – was nicht für besonders viele Werke der beiden doch unbestritten großen Schauspieler gilt –, und weil in »Swimming Pool« so vieles zusammenkommt, was Schneider und Delon ausmacht, sowohl einzeln als Figuren mit schwierigen Biografien, als auch zusammengenommen als Paar mit schwieriger Geschichte. Vielleicht schweißte das unglückliche Ende der Liebe sie ja noch mehr zusammen, als es eine Ehe mit Scheidung hätte tun können? Wydra zitiert zuletzt Delon, der bekennt, wie schön alles an »Swimming Pool« gewesen sei, und wie sehr ihn die Erinnerung daran schmerzt. »All meine Szenen ohne Romy habe ich komplett vergessen, sogar die wichtigen mit Maurice Ronet. Nur diese einzigartigen Momente geteilter Zärtlichkeit bewahre ich in meinem Herzen«, so Delon in einem Interview 2009.

Klingt das nach Kitsch? Das Berührende an dieser Stelle ist, dass man sich bei der Lektüre so gut vorstellen kann, wie der damals 70-jährige Delon sich diese Sentimentalität erlaubt. Was anderswo leicht zu einer klebrigen Projektion der Klatschberichterstattung geraten würde, hechelndes Nachempfinden dessen, was zwei Kinostars angeblich fühlen, ergibt sich bei Wydra tatsächlich aus dem Material, aus dem fein gewobenen Stoff der Zeitzeugen und Quellen, von damals und heute. Und das Schöne dabei ist, dass Wydra nicht nur seinen beiden Helden zugetan ist, ohne sie zu überhöhen – weder bei Schneider noch bei Delon verschließt er die Augen vor dunkleren und unangenehmen Seiten –, sondern wie er die von ihm selbst interviewten Zeitzeugen mit ihrem je ganz eigenen Tonfall zu Wort kommen lässt. Senta Berger, Jane Birkin, Mario Adorf und viele andere – man liest nicht nur was, sondern auch wie sie von Romy und Alain erzählen und es wird so noch einmal lebendiger.

Weil er sich auf sein erarbeitetes Material verlassen kann, muss Wydra auch keine Meisterwerke beschwören, wo keine sind. Seine nüchterne Einschätzung der Filme und sein präziser Umgang mit den Quellen halten ihn jedoch nicht davon ab, fesselnd zu erzählen, emotional, mit dramatisch gesetzten Wendungen, manchmal vorwegnehmend, manchmal retrospektiv betrachtend, dabei ohne Faktenhuberei. Romy und Alain gehören zu jener Art Prominenz, über die man eigentlich alles zu wissen glaubt. Aber nach Wydras Buch erscheinen sie einem plötzlich wieder aufs Neue faszinierend und interessant.

 

 

Thilo Wydra: Eine Liebe in Paris – Romy und Alain. Heyne-Verlag. München 2020. 352 S. 22 €.

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