Buch-Tipp: Axel Block: Die Kameraaugen des Fritz Lang
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Die Kernfragen, denen Axel Block nachgeht, sind so klar wie einleuchtend: Wie wird das Geschehen visuell dargestellt? Warum bewegt sich die Kamera? Wie funktioniert die Ordnung der Figuren im Raum vor und mit der Kamera? Und wie ist das Licht gesetzt, das die filmische Atmosphäre schafft?
Block, einer der großen Kameraleute für Film und Fernsehen seit Mitte der 1970er Jahre (er drehte u. a. für Doris Dörrie, Hajo Gies, Jeanine Meerapfel, Ulla Stöckl, Margarethe von Trotta), war schon früh an der Geschichte seines Metiers interessiert. Nun legt er eine sehr akribische, beeindruckende Studie vor. Im Zentrum stehen fünf Kameramänner der 1920er, denen er jeweils eine besondere Intention zuordnet. Carl Hoffmann: die Nähe zum »Fantastischen«; Karl Freund: der Hang zum »Realistischen«; Günther Rittau: der Wille zum »Stimmigen«; Fritz Arno Wagner: die Suche nach ästhetischen »Freiräumen«; Rudolph Maté: die Liebe zum »Unerklärlichen«. An neun Filmen dieser Meister analysiert Block dann die Entwicklung von der selbstständigen Bild- zur funktionalen Erzählkunst.
Fritz Langs »Dr. Mabuse« (1922) sieht Block dem Bildhaften verpflichtet, geprägt von der Dominanz des frontalen Blicks, der Zentrierung und der Symmetrie in zumeist statischen Bildern. F.W. Murnaus »Der letzte Mann« (1924) spreche mit der Kamera, suche nach neuen optischen Formen und werde auf Bewegung hin inszeniert. Charakteristisch dafür die »entfesselte Kamera«, die »ungestüm den Raum« erobert und »fantasievoll die Figuren zueinander« ordnet. Murnaus »Faust« jedoch, so Block, ziele auf eine neue Lichtführung. Das Licht selbst übernehme das Erzählen. Das deutsche Helldunkel, in der Zeit allseits bewundert, erreiche so seinen Höhepunkt. Es führe an die »Peripherie des Unvorstellbaren« – dem Göttlichen wie dem Satanischen, dem »Wechselspiel von Übernatürlichem und Menschlichem«.
Mitte der 1920er dann der Einschnitt in diese Tradition: Am Beispiel von Langs »Metropolis« erläutert Block den Übergang zur Erzählkunst. Er nutzt dafür den Begriff »Filmbild«, das eingebunden ist in »szenische Abläufe« und »zeitliches Kontinuum«. Anders als das Einzelbild, das isoliert ist »wie ein Gemälde an der Wand«, brauche das Filmbild die Bindung zu den vorgehenden und folgenden Einstellungen. Die Konsequenz liegt auf der Hand: Ab nun malt die Kamera nicht länger, sie stellt sich – mit all ihrer gestalterischen Komplexität – in den Dienst des Erzählens. Schließlich: »M – Eine Stadt sucht einen Mörder« (1931), Höhe- und Endpunkt des Weimarer Kinos. Wechselnde Perspektiven dominieren, das Licht bleibt logisch gesetzt, die Inszenierung ist nuanciert. Und »die Kamera fährt, schwenkt und steht, wo sie will, ohne je beliebig zu wirken«. Wobei für sie die Figuren den Rahmen bestimmen – nicht mehr das Dekor. Die Kamera bildet das Geschehen ab und kommentiert es zugleich durch »autonome Bewegungen«. So wird sie selbst zum »Akteur«. Die folgenden Anmerkungen zu Josef von Sternbergs »Der blaue Engel« wirken eher wie ein Fremdkörper. Sie reihen sich nicht ein in die Entwicklung vom Bild zur Erzählung. Andererseits bieten sie so präzise wie amüsant Klärungen zum »Dietrich-light«.
Alles in allem: eine beeindruckende Studie, wie gesagt. Ein wenig wundern mich allerdings einige Anmerkungen zu Lang. Etwa wenn von mangelnder Raumtiefe die Rede ist. Oder von indifferentem, effektlosem Licht. Oder vom Desinteresse an »extravaganten« Bildern.
Ein grundlegender Einwand sei mir am Schluss doch gestattet: So sehr die Analysen faszinieren, die Hinweise zu Kadrage, Bewegung, Licht, vermisse ich in den conclusiones doch deutlichere, klarere Thesen. Auf dass die Linie von der Bild- zur Erzählkunst noch einsichtiger wird.
Axel Block: Die Kameraaugen des Fritz Lang. Der Einfluss der Kameramänner auf den Film der Weimarer Republik. Edition text & kritik, München 2020. 484 S., 39 €.
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