Streaming-Tipp: »Penny Dreadful: City of Angels«
Daniel Zovatto und Nathan Lane in »Penny Dreadful: City of Angels « (Staffel 1, 2020). © Justin Lubin/SHOWTIME
Penny Dreadful existiert nicht, zumindest nicht als Person. »Penny dreadfuls« hießen die Groschenhefte im Vereinigten Königreich des 19. Jahrhunderts – billige Heftchen, die wöchentlich Horror- und Schauergeschichten unters Volk brachten und die Popkultur ihrer Zeit waren. Dieses Prinzip übertrug John Logan 2014 aufs Bewegtbild und schuf mit der Serie »Penny Dreadful« ein Format, das viktorianischen Okkultgrusel im Cliffhanger-Erzählmodus mit den Starbesetzungen, dem Sex und der Opulenz des Pay-TV verband. 2016 war nach drei Staffeln Schluss, nun wird das Konzept für eine neue Reihe wiederbelebt, als »Penny Dreadful: City of Angels« mit komplett neuer Handlung und neuen Figuren.
Kein Sequel also, eher ein Spin-off; die Macher nennen es das »nächste Kapitel«. Vom düsteren London der 1890er Jahre wechselt »City of Angels« ins sonnendurchflutete Los Angeles des Jahres 1938. Dort gibt es zum einen Konflikte zwischen der weißen und der Latino-Bevölkerung, zum anderen führt der wirtschaftliche Aufschwung zur Gentrifizierung und zur Verdrängung der sozial Schwachen. Daneben versuchen Nazis, ihren Einfluss in die USA auszuweiten, wie auch allerlei übernatürliche Kräfte am Werk sind.
Im Zentrum steht ein Polizeiduo: Lewis Michener (Nathan Lane) und sein junger Kollege Tiago Vega (Daniel Zovatto), der erste Latino-Detective des LAPD. Zunächst sollen die beiden einen spektakulären Ritualmord aufklären. Im trockenen Kanalbett werden vier entstellte Leichen gefunden, mit mexikanischem Totenkult-Make-up und aufgeschnittenen Brustkörben. An der Wand steht blutrot in spanischen Lettern: »Wenn ihr unser Herz raubt, rauben wir das eure.« Etwa eine Warnung vor dem geplanten Bau eines Highways durch ein von Mexikanern bewohntes Viertel? Die Finger im Spiel hat die Dämonin Magda (Natalie Dormer), eine Art übernatürliche Lederdominatrix, die ihre düstere Prophezeiung eines Rassenkrieges mit allen Mitteln wahr machen will. Der Frau in Schwarz steht ihre Schwester in Weiß, Todesengel Santa Muerte (Lorena Izzo), gegenüber oder zur Seite, so klar ist das nicht.
Wie bereits die Originalserie stellt auch »City of Angels« seine Genese aus dem Groschenroman stolz zur Schau, aalt sich geradezu in der kolportageartigen Handlung und den überzeichneten Charakteren, ihren großen Gesten und Gefühlen. Nathan Lane darf als grantelnder Detective trockene Einzeiler zum Besten geben, die jeden Hardboiled-Comic geschwätzig wirken lassen. Die Traumstadt am Pazifik als Schmelztiegel der Kulturen und mythischer Sehnsuchtsort unzähliger Glücksjäger eignet sich hervorragend als Schauplatz eines Plot-Potpourris aus Film Noir und Gruselmärchen, mexikanischer Folklore, Telenovela und Culture-Clash-Drama. Das ist nicht ohne Charme, wenn auch nicht immer stimmig. Überdies schießt die Alternativhistorie über eine Gruppe Nazis um einen von Thomas Kretschmann gespielten Stadtplaner, die in Kalifornien Autobahnen und eine Ausweitung des Dritten Reichs anstreben, oft arg übers Ziel hinaus. Von den selten dämlichen deutschen Akzenten ganz abgesehen, aber auch die gehören hier zum bewusst kruden Ton.
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