Streaming-Tipp: »His Dark Materials« Staffel 2
»His Dark Materials« (Staffel 2, 2020). © HBO
Die Mammutaufgabe, Philip Pullmans dreibändiges Fantasy-Epos (auf Deutsch »Der Goldene Kompass«) filmisch zu übersetzen, war in der ersten Staffel zumindest besser gelungen als noch im Kinofilm von 2007. Die zweite ist mit ihrer Erweiterung der Zahl der Schauplätze und Figuren deutlich verwirrender.
Was bisher geschah: Die zwölfjährige Lyra, aufgewachsen in Oxford in einer Art Steampunk-Welt, wird in die Intrigen zwischen ihren sich hassliebenden Eltern und dem Magisterium gezogen. Die faschistoide Klerikaldiktatur befindet sich auf einem Kreuzzug gegen ketzerische Wissenschaftler. Auf der Suche nach einem entführten Freund reist Lyra in den Norden und gelangt von dort in ein anderes Universum. In »unserer« Welt muss zeitgleich der Junge Will vor Häschern fliehen, die auf der Suche nach den Briefen seines auf einer Expedition in der Arktis verschollenen Vaters sind.
Die zweite Staffel markiert Lyras Zusammentreffen mit Will und ihren Eintritt in Wills angestammtes Biotop, das Oxford unserer Tage. Dort sucht Lyra die Physikerin Mary auf, um mehr über jenen »Staub« zu erfahren, dessen Existenz das Magisterium leugnet. Lyras Mutter zieht derweil alle Strippen, um ihre Tochter zu finden.
Mrs. Coulter steigt nun stärker als im Roman zur Hauptfigur auf. Aus gutem Grund: In ihrer Mischung aus totaler Skrupellosigkeit, Frust über ihre eingeschränkten Möglichkeiten als Frau und spät entdeckter Mutterliebe ist sie, gespielt von der in einem dramatisch-eleganten Film-noir-Stil auftretenden Ruth Wilson, eine Femme fatale der Extraklasse. Erneut zeigt sich aber, dass das Serienformat dazu verleitet, mittels Auswalzens von Nebenfiguren Zeit zu schinden. Auf Kosten der Handlungsdynamik wird allzu viel und wichtig geredet. Ein weiteres Problem ist biologischer Natur, hat doch besonders Will – Amir Wilson – inzwischen ein rasantes Wachstum hingelegt und ist eigentlich zu groß für seinen Part.
Mit Neuzugang Mary, einer Ex-Nonne, die Quantenphysik und String-Theorie mit dem I-Ching vermählt, tritt der hippieske Charakter der Geschichte stärker hervor. Pullman, der seine schamanistisch angehauchte Trilogie als Gegenentwurf zu den christlich geprägten »Narnia«-Märchen und zu John Miltons Epos »Paradise Lost« versteht, fischt sein Figurenarsenal querbeet aus Bibel, Märchen und Horrorfilm. Deshalb erscheinen jetzt, zusätzlich zu Hexen, texanischen Ballonfahrern, sprechenden Eisbären und Dämonen-Seelentieren, auch Geister und ziemlich zickige Engel auf der Bildfläche. All diese Wesen fluktuieren relativ hürdenfrei durchs Multiversum, eine Situation, die – ohne zu viel zu verraten – durch die schlampige Handhabung eines magischen Messers entstand. Es ist kompliziert.
Erneut erzeugt die düster-opulente Inszenierung, untermalt von einem eingängigen Soundtrack, einen gewissen Sog. Trotzdem muss man ganz schön aufpassen, um nicht den Faden zu verlieren. Vor dem Anschauen empfiehlt sich auf jeden Fall die Lektüre der Romanvorlage.
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