Streaming-Tipp: »Dead to Me« Staffel 2
»Dead to Me« (Staffel 2, 2020). © Netflix
Trauerarbeit ist ein schmerzhafter und langwieriger Prozess. Nach Sigmund Freud erinnert der Trauernde sich sukzessive an jedes noch so kleine Detail der verstorbenen Person und verleibt sich so deren positive Eigenschaften nach und nach ein. Irgendwann kann er den Verlust dadurch kompensieren. In der schwarzen Comedy-Serie »Dead to Me«, deren zweite Staffel Netflix nun veröffentlichte, wird Freuds Konzept von Trauerarbeit geradewegs auf den Kopf gestellt.
Es geht um Jen Harding (Christina Applegate), eine taffe, eigenständige Immobilienmaklerin. Eigentlich verlebte sie ein perfektes Eheleben als zweifache Mutter. Bis ihr Mann bei einem Unfall mit Fahrerflucht ums Leben kam. Gemeinsam mit Judy Hale (Linda Cardinelli), die sie in einer Trauergruppe kennenlernte, findet Jen nach und nach heraus, dass ihr verstorbener Göttergatte – der übrigens nicht arbeitete und seine Zeit als verkrachter Rockmusiker zu Hause verbrachte – nicht der war, für den sie ihn hielt.
Produziert wird die Serie von den beiden Hauptdarstellerinnen Christina Applegate, bekannt aus »Eine schrecklich nette Familie«, wo sie Al Bundys dümmliche Tochter Kelly spielte, und Linda Cardellini (»Freaks & Geeks«, »Emergency Room«). Die beiden sitzen förmlich auf ihren Rollen. Jen trinkt in jeder Episode gefühlt zwei Flaschen Chardonnay, flucht und ist in jeder Hinsicht schlagfertig. Judy dagegen wirkt mit ihrem Pony, den süßen Kleidchen und ihrem Esoterik-Trip wie ein verstrahltes Girlie.
Dennoch verstehen die beiden sich. Dank Judy findet Jen heraus, dass ihr Mann sie mit einer jungen Kellnerin betrog. Kommt vor. Er hat der Geliebten aber auch noch erzählt, seine Frau sei gestorben. Als Totgesagte fühlt Jen sich wieder quicklebendig. Verlust? Alles eine Frage der Perspektive. Die beiden Freundinnen, so die gallige Pointe, helfen sich schließlich gewissermaßen gegenseitig bei der Entsorgung ihrer Männer. So feministisch war Trauerarbeit selten.
In der zweiten Staffel müssen die beiden Seelenverwandten von »Thelma & Louise« mit zwei Leichen im Keller einen normalen Alltag hinbekommen. Die Voraussetzungen sind eigentlich nicht schlecht. Angesiedelt ist die Serie nämlich in einer Stadt, in der man gefühlt keine Probleme hat. In Laguna Beach, Kalifornien, einer wohlhabenden Gemeinde, ist das Pro-Kopf-Einkommen dreimal so hoch wie im Landesdurchschnitt.
Dementsprechend streift Jen als Maklerin immer wieder durch entzückende Designervillen wie aus Wohnzeitschriften. Dead to me entwirft einen amerikanisch gefärbten Almodóvar-Kosmos: Alle Frauen sind Männer. Und Männer sind entweder toxisch, infantil oder schwul. Skurrile und aberwitzige Probleme, die Jen und Judy lösen müssen, sind durchdrungen vom Hauch des Todes. Doch der steht den beiden ausgesprochen gut.
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